Zu Oud-ter Letzt …

Was dieses Jahr die Tuberose, war letztes Jahr definitiv Oud – der Renner in der Parfumbranche…

Eine angesagte Ingredienz, das gute Oud. Viele wissen wohl so ungefähr, woher Oud kommt beziehungsweise kennen dessen Herkunft und Herstellung. Ich war darüber auch im Bilde, dachte ich zumindest. Vor ein paar Tagen habe ich einen exzellenten Film zu diesem Thema auf Arte gesehen, „Adlerholz – Vom teuersten Duft der Welt“, Regie: Monika Kovacsics, Stefan Degert – ich kann ihn nur jedem empfehlen, der sich für das Thema interessiert.

Hier könnt Ihr Euch den Film ansehen:

Eigentlich ist es ein Trauerspiel. Oud ist die teuerste Duftingredienz der Welt, definitiv. In guter Qualität wiegt man es heute locker mit Gold auf, vielmehr: Es ist sogar deutlich teurer als Gold.

Warum, was macht diesen Preis aus und wie nun entsteht denn Oud überhaupt? Es wird aus dem Harz verschiedener Bäume gewonnen, die zu der Gattung der Aquilaria, der Adlerholzbäume gehören. Das Harz sondert der Baum als Reaktion auf Verletzungen oder auch Parasitenbefall ab.

Allerdings bildet der Baum mitnichten bei jeder Verletzung jenes besondere Harz. Es ist der Wissenschaft bis heute ein Rätsel, wann und warum genau dieses Harz entsteht beziehungsweise was für dessen Bildung verantwortlich ist. Vermutungen gehen dahin, daß ein oder mehrere bestimmte Pilzsorten dafür verantwortlich sein könnten, in diese Richtung wird auch fleißig geforscht. Bisher wurden zwei bis drei Dutzend Pilzsorten an und in den betroffenen Bäumen festgestellt, einige wurden bereits klassifiziert, andere sind noch unbekannt. Fest steht aber, daß bisher sowohl der definitive Auslöser des Verharzungsprozesses genauso unbekannt ist wie der Auslöser des spezifischen (Harz)Geruches, der das Öl so begehrt macht. Weder Baumart noch Standort noch Klima scheinen alleine ausschlaggebend dafür zu sein, wie Wissenschaftler bereits herausgefunden haben.

Auch chemisch gibt uns das Oud nach wie vor noch Rätsel auf: Nicht nur seine Bildung beziehungsweise der Mechanismus derselben ist absolut unbekannt, sein Aufbau ist auch derart komplex, darüber hinaus ist noch völlig unerschlossen, welche Bestandteile überhaupt für den Geruch zuständig sind – will sagen: Man tapst bisher noch vollkommen im Dunklen.

Das ist insofern ziemlich desaströs als das mittlerweile dasjenige Harz, das von der Evolution dazu ersonnen wurde, den Baum zu retten, ihm als Selbstschutz mit auf den Weg gegeben wurde, den Baum nun in seiner Existenz bedroht und ihm zum Verhängnis zu werden droht – in vielen Ländern ist er schon gänzlich ausgerottet.

Die verharzten Stücke des Adlerholz- oder auch Agarbaumes haben nicht nur viele Bezeichnungen wie Adler-, Paradies, Aloe-, Agallocheholz, Calambac oder Oud(h) – sie haben auch viele Fans. Die Anwendungsbereiche sind unterschiedlich, einerseits sind sie beliebt und begehrt als Räucherwerk im nahen Osten, diversen arabischen Ländern sowie Asien, darüber hinaus erfreut sich das Oudöl nicht nur im arabischen Raum großer Beliebtheit, es hat mittlerweile auch in Europa Einzug in die Parfums und somit den Parfummarkt gefunden.

Verwendet werden lediglich die befallenen Stücke, die in Japan auch Jinko genannt werden, sinkender Duft – weil (nur) das verwundete Holz im Wasser sinkt. Und alle wollen natürlich nur exzellente Qualitäten – Oud, das z.b. aus im Wasser verrottenen Bäumen gewonnen wird, gehört zu den billigsten Qualitäten, nicht die richtige Verletzung für den allerfeinsten aller Oudgerüche.

Da sowohl die Parfumindustrie als auch vor allen Dingen Reiche aus dem Orient und Asien wahre Traumpreise für Oud bester Qualität bezahlen, nahm der Raubbau vor allem in den letzten zehn-, fünfzehn Jahren sprunghaft zu. Noch vor 20 bis 30 Jahren waren auf diversen asiatischen Inseln sowie in Indien alte Oudriesen zu finden, zum Teil 100, 150 Jahre alt – diese findet man heute nur noch in äußerst überschaubarer Anzahl in manch gut geschütztem botanischem Garten. Alles andere ist den Oudjägern zum Opfer gefallen, die schneller alles abholzen, als sich die Bestände überhaupt wieder aufforsten lassen. Das ist doppelt tragisch. Vor allem auch, weil mittels professioneller Methoden schonend Adlerholz am lebenden Baum abgetragen werden könnte, man die Bäume meist aber so zerstückelt, daß sie ganz absterben. Ganz abgesehen davon, daß man meist ohnehin andere Wege bestreitet – man holzt sofort ab. Und findet leider nur in weniger als 10% der gefällten Bäume das begehrte Adlerholz.

Mich hat der Film ehrlicherweise traurig gestimmt. Und ich habe mich mitschuldig gefühlt, denn ich liebe Oud und dessen mannigfaltiges geruchliches Spektrum – es weist oft medizinische Anklänge auf und reicht von bitteren, herben und sehr würzigen Noten bis hin zu fast ambriert wirkenden, balsamisch-süßen, immer begleitet von dieser rauchigen Holzigkeit… Es vermittelt mir immer ein Gefühl von Geborgenheit, von Stärke, von Ursprünglichkeit. So bleibt nur zu hoffen, daß man bald synthetische Mittel und Wege findet, Oud nachzuahmen – was wohl bisher so nicht machbar war/ist – und/oder ich plädiere für den Einsatz von mehr „Wasserleichen“ wie oben geschildet – dann verzichte ich auch gerne auf zwei, drei subtilere und feinere Nuancen und schaue mir dann beim nächsten Lombokbesuch lieber die paar übriggebliebenen Urwaldriesen in Natura an.

Liebe Grüße sendet Euch

Eure Ulrike.

Bildquelle: Aquilaria von DXLINH, Agarwood von Hafizmuar, beides via Wiki Commons, some rights reserved. Vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. Christiane
    18. Mai 2010
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    auch mich hat der arte-Beitrag (den ich in Erwartung eines Bildungsfernsehens eingeschaltet habe) sehr betroffen gemacht. Und beschämt, denn ich muss gestehen, dass auch ich – nicht zuletzt dank Deiner tollen Anfix-Beschreibungen, Oud sehr liebe (die Kilans Oud-Düfte sind zum Niederknien…). Aber der Tod ganzer Waldgebiete nur um unsere Luxuswünsche zu befriedigen. Also drücke ich den Chemikern/Botanikern die Daumen, auf dass wir weiter schönes Parfum ohne Raubbau riechen können. Und zur Reise zu den Urwaldriesen nimm mich doch bitte mit;-).

  2. Margot
    19. Mai 2010
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    habe den arte-Beitrag leider nicht gesehen. Was Du hier schreibst, stimmt mich aber zutiefst traurig. Gehöre inzwischen ja auch der Oud-favorisierenden Schicht an, aber zu dem Preis verzichte ich gern. Wenn die Chemiker/Botaniker eine Lösung finden, o.k. aber vielleicht gehört das OUD zu den mystischen Dingen auf unserer geliebten Erde, für das KEIN künstliches Rezept gefunden werden kann und soll und uns damit in unsere Schranken weist in Bezug auf die Natur.
    Man könnte sich ja vermehrt auf Tomaten/Riesenfenchel-Düfte (Sigilli) oder Bergamotte/Basilikum (DelRea Roth)oder Kautschuk? (wie in SoOud beschrieben) konzentrieren 🙂
    LG aus einem trüben LB,
    Margot

  3. Ulrike
    20. Mai 2010
    Antworten

    Hallo Ihr Zwei 🙂

    Ja, ich stand doch auch sehr betreten da, zwiegespalten.
    Ich hoffe sehr, daß eine Möglichkeit gefunden wird – vor allem zur sachgemäßen Ernte natürlichen Ouds. Das würde nämlich dem Baum auch das Überleben sichern und uns das Oud…
    In jedem Falle fand ich den Film ziemlich toll und werde diesbezüglich mal ans ZDF / Arte schreiben demnächst. Hätte gerne mehr solche Filme.

    Liebe Grüße, die Uli.

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