Mahaba und Samaha von Anfas – Zwischen Leichtigkeit und Tiefe

Manche Marken klingen zunächst wie ein Geheimtipp. Bis man merkt, dass sie längst eine feste Größe unter Nischenduftkennern sind. Anfas ist so ein Fall. Es ist ein vergleichsweise junges Dufthaus aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, das in kurzer Zeit viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und das ganz ohne große Gesten. Auch die beiden Kreationen Mahaba und Samaha fügen sich nahtlos in das bisherige Schaffen der Marke ein – selbstbewusst, vielschichtig und tief in der kulturellen Identität verwurzelt.

Anfas – Mahaba

Anfas – Take a deep breath

Der Name Anfas – Arabisch für „einatmen“ bzw. „eintauchen“ – ist mehr als ein wohlklingendes Wort, sondern soll widerspiegeln, dass die Düfte Sinnbilder von Emotionen, von Geschichte, von Identität sind. Hinter der Marke steht Asim Al Qassim, der erste offiziell zertifizierte Parfümeur der Region. Was er mit Anfas geschaffen hat, ist keine nostalgische Hommage an die arabische Dufttradition, sondern eine zeitgenössische Interpretation ihres kulturellen Erbes. Es geht nicht um Oud um des Ouds willen, nicht um gefällige Rosennoten ohne Substanz. Vielmehr nimmt Anfas vertraute Motive, wie etwa Rauch, Gewürze oder auch Blüten und übersetzt sie in eine olfaktorische Sprache, deren Ästhetik international erfolgreich ist.

Die Flakons sind schwer, goldfarben, in ihrer Form an traditionelle Mabkhara angelehnt – kunstvoll verzierte Gefäße zum Verbrennen von Weihrauch. Sie deuten bereits optisch an, worauf man sich mit einem Duft von Anfas einlässt. Hier geht es um Kraft, um Komplexität und dennoch bleibt Raum für leise, fast poetische Zwischentöne. Die Düfte sind konzentriert, halten lange, sind präsent und besitzen eine verführerische Tiefe, die in der heutigen Parfümerie nicht selbstverständlich ist.

Mahaba – Duft gewordene Zärtlichkeit

Mahaba ist das arabische Wort für Liebe, Zuneigung, tiefe Verbundenheit. Doch es umfasst mehr als nur romantische Gefühle. Mahaba beschreibt auch die stille Wärme zwischen Freunden, die Fürsorge innerhalb der Familie, die aufrichtige Herzlichkeit im täglichen Miteinander. Dass Anfas genau dieses Wort als Namen wählt, ist kein Zufall. Es geht nicht um flüchtige Verliebtheit, sondern um etwas Bleibendes. Um ein Gefühl, das sich nicht aufdrängt, sondern langsam entfaltet, leise, sanft, aber mit Tiefe. 2017 wurde bereits eine Kreation mit dem Namen Mahaba von Anfas lanciert, allerdings mit gänzlich anderen Duftnoten. In dieser Review beziehe ich mich auf das Extrait de Parfum aus dem Jahre 2025, das die Ingredienzien Zitrone, Mandarine, Orange, Neroli, Bergamotte, Wacholder, Lavendel, Ingwer, Nuss, Rose, Weihrauch, Leder, Adlerholz (Oud), Moschus, Vanille, Ambra und Sandelholz vereint.

Anfas – Mahaba

Mahaba beginnt mit einem hellen, fast cologneartigen Opening. Zitrusfrüchte in all ihren Facetten – von spritzig über süßlich, von fein-säuerlich bis leicht herb – eröffnen den Duftverlauf mit einer vitalisierenden Frische. Es ist ein Auftakt, der belebt, der prickelt, dabei aber nie zu schrill wirkt. Schon kurz darauf tritt holziger Wacholder hinzu, begleitet von einem Hauch Lavendel, der der Komposition eine krautige Leichtigkeit verleiht. Allmählich gleitet Mahaba in weichere Nuancen über. Eine nussig-pudrige Süße legt sich wie ein feiner Schleier über die Zitrusfrische, während kühler Weihrauch, sanfte Rosennoten und cremige Akzente für Tiefe sorgen. Im weiteren Verlauf übernehmen Leder und Oud die Führung – zurückhaltend, beinahe flüsternd – und schenken der Basis dunklere, harzig-holzige Nuancen, ohne die helle Grundstimmung zu verdrängen.

Mahaba wirkt nie schwer, nie drückend. Es ist ein luftiger, lichtdurchfluteter Duft, der Zitrusfrüchte, Blüten, Hölzer und Harze in ein fein abgestimmtes, harmonisches Gleichgewicht bringt. Ein Duft, der mit Leichtigkeit verführt, dabei aber nie beliebig wird. Nicht der typische Orientale, den man vielleicht von Anfas erwartet, sondern eher eine sinnliche Erfrischung mit Charakter. Ideal für wärmere Tage, tragbar zu fast jeder Gelegenheit. Die Präsenz würde ich als mittel einstufen, die Haltbarkeit überzeugt. Perfekt für alle, die frische elegante Düfte mit Zitrusfrüchten, Oud und Lavendel lieben.

Samaha – Die duftende Kunst des Gebens

Samaha bedeutet im Arabischen so viel wie Großzügigkeit, Güte und Nachsicht. Doch auch dieses Wort trägt noch mehr in sich: eine Haltung, eine leise, innere Größe, die fast schon unbewusst wahrgenommen wird. Samaha beschreibt die bewundernswerte Fähigkeit, mit offenem Herzen zu geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Es ist die Art von Freundlichkeit, die nicht inszeniert ist, sondern aus einer stillen Überzeugung heraus entsteht, gelassen, würdevoll, von Wärme durchdrungen. Auch Samaha ist als Duftname selbstverständlich eine bewusste Wahl der Marke Anfas. So wie der Begriff mehr meint als seine wörtliche Übersetzung, erzählt auch der Duft mehr als eine lineare Geschichte. Samaha evoziert „die Anmut der Stille. Die Wärme der Erinnerung. Der ruhige Atem einer Vergangenheit, die nie wirklich weg war.“ All dies übersetzt Anfas mithilfe der Ingredienzien Bergamotte, Rose, Grapefruit, Lavendel, Jasmin, Iris, Rosa Pfeffer, Leder, Karotte, Ingwer, Weihrauch, Vetiver, Patchouli, Moschus und Ambra in ein Extrait de Parfum.

Anfas – Samaha

Auch Samaha beginnt mit einem klaren, zitrischen Auftakt, der sofort Leichtigkeit versprüht. Schnell aber kommen cremig-süßliche Karottennoten ins Spiel, gepaart mit trockenem Pfeffer und pudriger Iris. Ingwer bringt Frische und eine fruchtige Schärfe, die den zitrischen Charakter elegant untermalt. Im Hintergrund entfalten sich langsam florale Akzente von Jasmin, begleitet von kühlem Weihrauch und erdigem Patchouli. Moschus und Vetiver sorgen für Tiefe, während eine sanfte Ledernote die rauchig-holzigen Nuancen auf dezente Art und Weise abrundet.

Samaha ist ebenfalls kein klassischer Orientale. Statt opulenter Würze und dunkler Harze bietet er eine fein abgestimmte Komposition, hell, cremig, pudrig und erstaunlich transparent. Ein Duft mit Charakter, aber ohne Schwere. Tragbar im Alltag, zurückhaltend genug fürs Büro und dabei so elegant und zeitlos, dass man ihn sommers wie winters tragen kann. Ein moderner Begleiter für jede Gelegenheit.

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert