Im Interview: Jean-Pierre Marois von Les Bains Guerbois – Teil II

Weiter geht es mit dem spannenden und unterhaltsamen Interview mit Jean-Pierre Marois, dem Gründer von Les Bains Guerbois. Am Freitag habe ich Euch den ersten Teil unseres Videogesprächs präsentiert (nachzulesen hier) und heute nun Teil II. Viel Freude beim Lesen!

Düfte von Les Bains Guerbois
Bild von Facebook

Wie wurden Eure neuen Düfte in der Parfumwelt aufgenommen?

Das Erstaunliche ist, dass wir gleich im ersten Jahr, in dem wir mit unseren Düften auf den Markt kamen, den FiFi Award für den besten Duft einer unabhängigen Marke in Paris gewonnen haben. Als Neuling in dieser Branche – ich komme ursprünglich aus der Filmindustrie – kam mir alleine schon der Name FiFi komisch vor und ich habe diese Nominierung zunächst nicht ernst genommen. Dann ging ich zur Preisverleihung, und als ich ankam, war das in einem großen Theater. Man traf den CEO von Guerlain und viele andere CEOs, und mir wurde klar: Oh mein Gott, das ist eine ernste Sache. Und dann haben wir tatsächlich gewonnen. Das war ziemlich erstaunlich für eine neue Marke mit ihrer ersten Kollektion. Ich glaube, das hat es vorher noch nie gegeben. Es war ein großartiger Start.

Und wie ging es weiter?

Jetzt gibt es also diese Kollektion, die Une date, une histoire heißt, in der wir neun Düfte haben. Das Konzept ist immer das gleiche. Wir wählen ein Jahr mit einer starken Story aus, die Teil der Geschichte von Les Bains Guerbois ist. Du kennst also bereits die ersten drei Düfte, und alle anderen wurden in den letzten vier oder fünf Jahren lanciert. Wir waren also ziemlich schnell und hatten das Glück, mit großen Parfümeuren zusammenzuarbeiten. Der FiFi-Award-Gewinner 2015 wurde zum Beispiel von Michel Almairac kreiert. Wir haben die beiden Düfte 1979 New Wave und 1992 Purple Night mit Dominique Ropion kreiert. Beides sind Musikdüfte, aber wir haben auch literarische Düfte wie 1900 L’heure de Proust. Es geht wirklich um eine Mischung aus allen Medien der Kunst in einem Flakon. So sehen wir das.

Wie läuft das bei Euch mit der Entwicklung der Düfte?

Und die Art und Weise, wie ich vorgehe, ist – da ich eigentlich aus der Filmindustrie komme -, dass ich einen Pitch schreibe, der die Geschichte, die wir einfangen wollen, in aller Kürze erzählt. Zum Beispiel war der Club Les Bains Douches 1979 sehr aktiv, was Konzerte anging, und es war das Jahr, in dem die New-Wave-Bewegung aus Großbritannien kam, mit Bands wie Simple Minds, Depeche Mode und Joy Divison, aus denen New Order wurde.

Es war eine Art Post-Punk-Ära und die Musik war irgendwie roboterhaft und sehr elektrisch und irgendwie trocken und kalt. In meinem Pitch beschrieb ich also die Art der Musik und die Emotionen, und Dominique Ropion entschied sich für etwas sehr Kaltes, denn New Wave wurde von einigen Rockkritikern als Cold Wave bezeichnet, weil es sich so sehr von der früheren Hippie- und Discomusik und dem Stil unterschied.

Les Bains Guerbois – 1979 New Wave

Kühle Duftnoten also …

Ja, er arbeitete mit Pfefferminze und Minze, etwas, das Parfümeure sehr erschreckt, weil es sehr schwierig ist, damit zu arbeiten, da es schnell zu stark riecht. Es ist ein Gebiet, auf dem sich viele Parfümeure nicht wohlfühlen, da es nicht einfach ist, Kreationen mit diesen Duftnoten neu und subtil, aber dennoch kraftvoll zu halten. Dominique Ropion hat eine unglaubliche Arbeit geleistet und es ist einer unserer Bestseller. Es ist einer der faszinierendsten Düfte und einzigartig im Vergleich zu dem, was es auf dem Markt gibt. Der Duftverlauf ist erstaunlich, denn er beginnt sehr frisch und grün und geht über in etwas sehr Würziges und Holziges. Geheimnisvoll, fast mystisch, mit Weihrauch, Iris und Sandelholz in der Basis. Es ist ein Duft, den sowohl Männer als auch Frauen tragen können. Ich liebe es, ihn im Sommer zu tragen.
Und auch die Erfahrung, die der Kunde persönlich macht, ist erstaunlich, denn die Minze entwickelt sich weiter und überrascht. Was die Leute bekommen, ist diese Mischung aus etwas ungewöhnlich Würzigem und Frischem. Das ist super und wir sind sehr stolz auf diesen Duft.

Ihr habt aber noch einen weiteren Duft mit Dominique Ropion entwickelt …

Genau. Bei dem anderen Duft, den wir mit Dominique Ropion kreiert haben, geht es ebenfalls um Musik. 1992 war der Sänger Prince auf dem Höhepunkt seiner Karriere und er liebte Les Bains Douches, wo er regelmäßig und sehr oft zum Abendessen war. Und in einer Woche im Jahr 1992 spielte er in einem ausverkauften Hallenstadion, dem größten in Paris, vor vollem Haus. Und er sagte dem Management von Les Bains Douches, dass er jeden Abend nach seinem Konzert dort zu Abend essen möchte und bat darum, ihm einen Tisch zu reservieren. Aber er wollte auch an einem dieser Abende im Les Bains spielen, nur so zum Spaß, und dort nach dem Abendessen ein Konzert geben.

Also bat er, dass das Management vom Les Bains Douches, ein Schlagzeug, eine E-Gitarre, Mikrofone usw. auf die Bühne des Nachtclubs stellen. Er garantierte nicht dafür, sagte aber, wenn man es dort aufstelle, könne er vielleicht an einem der Abende spielen. Und genau das tat er dann auch. Er spielte zunächst vor 40.000 Menschen im Stadion, mit hohen Eintrittspreisen. Dann kam er ins Les Bains zum Abendessen und danach ging er um 1:30 Uhr morgens in den Club und spielte 2,5 Stunden lang, umsonst, zum Spaß, vor 300 Leuten, die alle überwältigt waren. Und genau darum geht es bei dem Duft Purple Night 1992.

Les Bains Guerbois – 1992 Purple Night

Die Idee war, die Persönlichkeit eines herausragenden Künstlers einzufangen, der voller Kontraste und Gegensätze war. Er war ein Typ, der sehr zerbrechlich und klein aussah, aber wenn er auf der Bühne stand, war er ein Tier. Er war sehr androgyn, ein Cross-Dresser, lange bevor dies zu etwas Alltäglichem wurde, trug Röcke, Stöckelschuhe und Spitze, also sehr androgyn, fast feminin, und doch war er ein großer Frauenheld. Einer der Gründe, warum er jeden Abend ins Les Bains Douches ging, war, dass es dort die schönsten Frauen von Paris gab.

Er war also sehr faszinierend für Dominique Ropion und so kreierte er diesen Duft, der extrem kraftvoll ist und ebenfalls zu unseren Bestsellern gehört. Er hat es geschafft, diese Androgynität, diese Kraft und diesen Überfluss einzufangen, und es ist eine einzigartige Interpretation eines Tuberose-Duftes. Und wie bei 90 Prozent unserer Düfte sind die Basisnoten holzig, würzig, mit Weihrauch und Sandelholz sowie Papyrus.

To be continued …

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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