Die Malediven rufen: Vaadhoo von MEMO Paris …

… ist einer von zwei Neulingen der Franzosen und heute unser Thema. Ocean Leather, der zweite Streich, ist nächste Woche an der Reihe.

Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran, als mir MEMO das erste Mal unter die Nase kamen – es war Mitte, Ende der Nullerjahre und mit fünf, sechs Düften als „Startpaket“. Aber lasst uns von vorne beginnen, und zwar mit einem kurzen Blick hinter die Kulissen.

Der Weg ist das Ziel – MEMO Paris

Gegründet wurden MEMO 2007 in, vollkommen korrekt, der französischen Hauptstadt, und zwar von Clara und John Malloy. Unverhofft kommt oft: die beiden hatten sich wohl tatsächlich in einem Aufzug kennengelernt. Was sich ein bisschen nach kitschigem Einfall aus einer Romantic Comedy anhört, war bei beiden der Auftakt für eine gemeinsame Zukunft, sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht. Zwei Kosmopoliten, Weltbürger, aus unterschiedlichen Ländern stammend, reiselustig und -hungrig.

„Memo like memory. Like souvenir. Like sillage.“

Clara, der Schöngeist, geboren in Andalusien, ansässig in Paris und heimisch auf der ganzen Welt. John, geboren in Irland, immer in Bewegung, sowohl physisch als auch geistig, ein sportbegeisterter Globetrotter.

„They see fragrance as a journey, forging its identity around magical destinations and potent raw materials. This desire for travels to far-off places and encounters is the very reflection of the founding couple.“

Reiselust, Düfte, die sich inspiriert sehen durch Reisen, Reiseerinnungen. Der Name sagt es schon und es, will sagen: dieser Umstand ist nichts Neues, eigentlich. Mitunter seht Ihr mich in Anbetracht von derlei Hintergründen eine Augenbraue hochziehen. Warum? Weil einigen Marketing- und PR-Menschen im stetig wachsenden Bereich der Nische nichts anderes mehr einzufallen scheint als Urlaubsreminiszenzen, private, heraufzubeschwören oder natürlich Erinnerungen an wahlweise Mutter, Vater, Oma, Opa, Tante oder Onkel, die für das prägende Kindheitserlebnis zuständig waren, das später den Weg in die Welt der Parfums ebnen sollte … Überstrapaziert ist es ein wenig, aber dennoch in einigen, vielleicht gar vielen Fällen nicht minder wahr.

MEMO Paris oder vielmehr dem (Ehe)Paar Malloy nehme ich es allerdings ab, und zwar rundherum. Außerdem sind sie schon lange am Markt. Insofern stört es mich hier nicht, ganz im Gegenteil. „The journey is the destination“, der Weg ist das Ziel – die Düfte von MEMO Paris erzählen von Reisen (vor allem denen Claras), laden zu gedanklichen Reisen ein. Und sind in der Tat meistens so „bildgewaltig“, wie ich es immer wieder gerne formuliere, farbenprächtig, dass sie in die Ferne entführen, zumindest für einige Augenblicke.

So muss ich wieder an die ersten Düfte des Labels denken, die allesamt so besonders waren und bis heute noch sind. Zwei mag ich ganz besonders: Inlé, inspiriert durch den gleichnamigen burmesischen See, ein zart dahingehauchtes, frisch-fruchtig-florales Duftvergnügen, das mit schüchtern-cremigem Jasmin und pfefferminzigeküssten Anklängen von Matétee lockt, von pfirsichfruchtigen Osmanthusblüten umrahmt. Und Lalibela, ein Ausreißer im Vergleich zu meinem sonstigen Duftgeschmack: ein moderner, gourmandlastiger Orientale, ok, vielleicht sogar Florientale, süß, sinnlich, hitzig und leidenschaftlich, der mit Orchidee, Vanille, Kokos, Rose, Weihrauch und Harzen brilliert.

Im ersten Arrondissement von Paris in der Rue Cambon haben sich die Malloys niedergelassen und von dort aus die Welt erobert: in dreißig Ländern sind MEMO Paris mit ihren Kreationen vertreten. Beeindruckende zweiundvierzig, in Zahlen: 42 Kreationen sind wohl bisher entstanden – ich frage mich gerade, wie viele es davon noch gibt beziehungsweise wie viele Limited Editions, exklusive Ausgaben oder ähnliches waren, denn ich kenne längst nicht alle der Düfte, was ich als schade empfinde. So muss ich es mir (und Euch) ein bisschen sortieren, vielleicht hilft das ja.

Fünf Kollektionen gibt es mittlerweile von MEMO, und zwar folgende:

Von der See, Sternen und Sehnsucht – Vaadhoo

„What would you bring on a desert Island? On Vaadhoo, lost in the Maldives, you have everything you need. A glow of ginger, a sparkle of basil, a pinch of cassis buds to begin. Here at night, the sea illuminates, showing you the path to your own secret. Made of jasmine, geranium, everlasting flower seed. As if stars decided to leave the sky at dusk and join the sea to light up your spirit and miraculously become starfish. You can draw your hopes, dreams and desires directly from the glittering water. They appear as if by magic. You stand near the shore, surrounded by an enchanting smell of vetiver, patchouli and moss, everything silent around you, and suddenly images flow through your mind. You feel free and peaceful, full of new visions. Why go back to the mainland?“

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Bergamotte, Ingwer, Rhabarber, Safran
Herznote: Veilchen, Jasmin, Zedernholz, Geranium, Immortelle
Basisnote: Vetiver, Patschuli, Oud, Vanille

Was würdest Du mitnehmen auf eine einsame Insel – das ist die Frage, die als Opener der Markenbeschreibung zu Vaadhoo fungiert. „Auf Vaadhoo gibt es alles, was Du brauchst“ wird uns versprochen. Die Insel gehört zu Raa, einem Verwaltungsdistrikt der Malediven. Zwei Atolle umfasst es mit, man höre und staune, über achtzig Inseln, von denen allerdings längst nicht alle bewohnt sind – das hätte mich bei einer Einwohnerzahl von unter 15.000 Menschen auch gewundert, von denen etwa 500 auf Vaadhoo entfallen. Einmal auf Vaadhoo gelandet, gibt es keinen Grund, ans Festland zurückzukehren, so versprechen MEMO – ein Grund dafür ist ein Naturphänomen, das sich dort finden lässt, womit Vaadhoo zu einem der wenigen Orte der Welt gehört, wo eben dieses zu beobachten ist. Die Rede ist von fluoreszierendem Plankton, für den Vaadhoo bekannt ist und der dort Sea of Stars, See der Sterne genannt wird.

Da war doch was … yep, genau, mir fällt ein weiterer Duft ein, der sich diesem vermutlich traumhaften „Spektakel“ widmet, und den ich letztes Jahr hier vorgestellt hatte: fluo_ral von Nomenclature. Das Video aus dem Artikel musste ich einfach nochmals posten, siehe oben – als Bewegtbild ist der Plankton einfach zu faszinierend!

Der duftende Schwerpunkt von Vaadhoo, der von MEMO als „Oud Hallucination“ bezeichnet wird, soll auf einem Dreiklang aus Immortelle, deren Samenkörnern, Ingwer und Patschuli liegen, was mich überaus neugierig macht. Warum? Weil von intensiver Frische die Rede ist im selben Atemzug wie von Sea of Stars, Immortelle und Oud – das bekomme ich gedanklich nicht umgehend einsortiert, was wiederum dafür spricht, dass das versprochene „unerwartete Dufterlebnis“ wahrscheinlich Wirklichkeit wird?

https://pixabay.com/de/photos/hand-meer-k%C3%B6rper-von-wasser-ocean-3332510/

… genau so ist es, meine Lieben. „Sparkling“, prickelnd, bitzelnd und funkelnd präsentiert sich Vaadhoo, und das auf eine höchst trockene Weise. Wer einen Aquaten vermutet, vielleicht einen Oudduft mit Solarakkord (siehe Piguets L’Entier), der geht in jedem Fall fehl, denn Vaadhoo ist in der Tat mehr duftende Impression als authentisch-realistisches Duftgemälde. Die Kombination von Oud und Ingwer funktioniert ganz hervorragend, trocken-fruchtig-holzig und gleichzeitig auch mit einem Quentchen Feuchtigkeit versehen, darüber hinaus untermalt ein klitzekleiner Hauch Rhabarber die Ingwerherbheit, während Safran dessen Schärfe unterstützend aufgreift. Immortelle verhält sich im Vergleich zu sonst extrem diszipliniert – sie würzt und werkelt eher im Hintergrund, Körper verleihend als auch Wärme sowie eine Prise Salz stiftend, die wiederum relativ gut zu dem zwischen Kühlheit und Wärme oszillierenden Oud passt. Rauch findet sich ebenfalls, und zwar nicht zu knapp.

https://pixabay.com/de/photos/k%C3%B6rper-von-wasser-panorama-3332522/

Vaadhoo macht mir eine Kategorisierung schwer: ein typischer Oudduft ist er nicht, auch kein oudlastiger Orientale, aber schon eher … Dennoch offeriert er auch frische Akzente, ist allerdings auch warm-brodelnd und von einer ordentlichen Würzigkeit.

Wo würde ich ihn einsortieren? Am ehesten noch in der Nähe von Nasomattos Black Afgano, ganz fern auch deren Duro, allerdings mit einer an The Different Companys Sel de Vétiver erinnernden Salzkruste und Anklängen der salzig-dunkelgrünen Vetiver-Artigkeit von Chanels Klassiker Sycomore.

Wer mich kennt, den wird es nicht wundern in Anbetracht dieses Versuchs einer Klassifizierung – mir gefällt Vaadhoo ausgesprochen gut.

Nächste Woche folgt Ocean Leather – bis dahin ein schönes Wochenende und eine gute Zeit Euch!

Herzlichst

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. Kathi
    3. Juli 2020
    Antworten

    Hey liebe Uli,
    und wieder so ein toll geschriebener Artikel von dir. Ich freue mich jedes Mal wieder drauf! Dein Schreibstil und deine Art, olfaktorisches zu beschreiben, sind einfach unverkennbar, einzigartig und überaus phantasiebeflügelnd!
    Ich habe bei euch mal eine Memo Duftprobe gewonnen, ich meine sie war aus der Leather Collection. Leider bin ich grade nicht daheim und kann nicht nachschauen welcher es war. Ich habe ihn schon länger nicht mehr gesprüht, damals war er mir zu schwer. Aber Nasen ändern sich doch 😉 Ich werde ihn bald wieder testen! Ich finde, es ist auch ein Unterschied, ob man einen Duft mit Muße in vertrauter Umgebung testet, oder schnell ein Pröbchen mit ins Gepäck auf einen Kurztrip nimmt. So war es damals nämlich…
    Vadhoo macht durch deine Beschreibung überaus Lust zum Probeschnuppern. Ich komme kaum hinterher. Manchmal macht es mich schier wahnsinnig, wieviele tolle Düfte und unbekannte „Duftdimensionen“ meine Nase bisher noch nicht kennenlernen durfte.
    Du müsstest Führungen durch dein Duftreich anbieten, das wäre mein Paradies ;D
    Bei deinem Intro dachte ich übrigens als erstes daran, wie mich meine Nase immer auf imaginäre Reisen schickt. Bestes Beispiel: wenn ich frischen Orangensaft presse, begebe ich mich IMMER nach Lissabon… zu dem kleinen Bäcker mit dem intensiv sonnig schmeckenden Orangensaft, zu dem kleinen Restaurant mit den gelben Sonnenschirmen an der Kade, bei dem wir Oktopussalat bestellt haben <3 Was wäre die Welt nur ohne Gerüche?
    Hmm, heute überraschend philosophisch…. 😉
    Viele liebe Urlaubsgrüße aus Österreich,
    Kathrin

  2. Kathi
    3. Juli 2020
    Antworten

    …ich konnte doch online nachschauen. Die Probe ist Luxor Oud von Les Échappées 🙂 Die Duftnoten klingen nicht schlecht, auch rauchiges mag ich. Rose kann allerdings schwierig sein bei mir. Ich werde mich nach dem Urlaub mit wohldosierten Sprühern erneut heranschnuppern.

  3. Avatar photo
    Ulrike Knöll
    10. Juli 2020
    Antworten

    Hallo liebe Kathi,

    und nochmals danke für die „Blumen“ 🙂 Dein Feedback freut mich sehr, vor allem auch, wenn sich offensichtlich mein Wunsch erfüllt, bei Dir, mit meinen Texten – eine kleine Alltagsflucht bzw. -insel bieten 🙂

    Ich mag in der Tat alle Lederlinge von MEMO, den einen mehr, den anderen etwas weniger, halte sie aber allesamt für überdurchschnittlich gut und absolut testenswert. Leider habe ich bei einigen von ihnen das Problem, dass sie bei mir anders rauskommen auf der Haut als auf dem Teststreifen – Pech, leider. Luxor Oud habe ich ebenfalls als richtig schön in Erinnerung. Die hier im Artikel genannten Düfte, angefangen von Piguet über TDC, Nasomatto und Chanel gehören im übrigen zu meinen Lieblingen – die kann ich ebenfalls nur wärmstens zum Testen empfehlen.

    Und, wenn es ein Sommerlederchen sein soll – David Jourquin hat ebenfalls zwei sehr nette im Portfolio, der Mann hat mir, meine ich, besser gefallen – wenn ich mich recht erinnere, war da Mango im Spiel … Mein absoluter Liebling diesbezüglich war VIP ROOM, den ich immer liebevoll Mata Hari auf Hawaii oder die Ananas-Domina nannte 🙂 Leider discontinued, ich habe aber noch zwei mittlerweile recht alte Fläschchen … Wenn es Dich mal in den Süden verschlägt, irgendwo ins Nirgendwo in den Neckar-Odenwald, dann bist Du gerne auf einen Kaffee eingeladen 🙂

    Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende sowie einen schönen (Rest?)Urlaub

    Deine Uli

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