Parle Moi de Parfum Teil II oder: von der Farbe Weiß und von milchigem Moschus …

… haben wir es heute, und zwar mit Totally White / 126 und Milky Musk / 39. Vorgestern hatte die Marke bei uns ihrem Auftakt im Blog – wer den Artikel verpasst hat klickt hier. Kurz und knapp die Fakten: Parle Moi de Parfum, Erzähl mir von Parfum ist ein Familienunternehmen, das gegründet wurde von dem Sohn, den Söhnen von Michel Almairac, seines Zeichens ein Altmeister der Parfumeure. Ansässig in Grasse und Paris darf sich Almairac mit seiner eigenen Marke nun ungehindert kreativ „austoben“ und seiner Parfumeursphantasie freien Lauf lassen. Die ersten beiden rezensierten Düfte, Woody Perfecto / 107, ein „smoother“, sauberer und vor allem ordentlich kaffeegeküsster Vetiver und Cedar Woodpecker / 10 waren meines Erachtens nach bereits ein gelungener Einstieg, ich bin gespannt, wie es weitergeht!

Geklaut auf Instagram bei Parle Moi de Parfum
Michel Almairac – geklaut auf Instagram bei Parle Moi de Parfum

Totally White / 126

„Parc Monceau, Paris, on a spring morning. Pure whites and tender pastel shades of lilac, syringa, hawthorn and wisteria mingle in the transparent light. Insistent and unsettling, the fragrance of flowers fills the entire park, enveloping passers-by and inspiring them with the strong and fresh energy of nature reborn.“

Die Ingredienzen: Flieder, Glyzinie, Maiglöckchen, Jasmin

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch nie wirklich in Paris war. Ok, einmal durchgefahren, irgendwo mit der Metro zwischen Bahnhof und Bahnhof, das zählt aber nicht. Ich weiß, das muss nachgeholt werden, wenn es sich anbietet, schon alleine wegen der vielen schönen Parfummanufakturen und -geschäfte, wegen des Stammhauses von Caron und so weiter und so fort. Deshalb habe ich unter anderem Wiki bemüht, wo der Parc Monceau denn nun genau liegt und was es mit ihm, seiner Geschichte auf sich hat.

Claude Monet, 1876 [CC0 or Public domain] – Eigentum des MET, Metropolitan Museum of Art, New York
Seine Entstehung geht zurück auf Louis-Philippe-Joseph, Cousin von Ludwig XVI., Herzog von Orléans und von Chartres, der die Gartenanlage von Louis Carmontelle gestalten ließ, einem Maler, Erfinder und Landschaftsgestalter oder Landschaftsarchitekten, wie es heute heißt. 1769 eröffnet, wurde der Park stetig durch Landzukäufe erweitert und wuchs bis 1778 auf 12 ha an. Er wurde auch bekannt als Folie des Chartres, was soviel heißt wie die Verrücktheit (Herzogs) von Chartres. Das es auch am und im Hof nicht immer rund lief, wissen wir – so kam es wohl zu ständigen Animositäten zwischen besagtem Herzog von Chartres und dem französischen Hof, unter anderem mit Marie Antoinette, was den genervten Blaublüter nach London vertrieb, wo er sich als neuen Buddy den Prince of Wales auserkor, den späteren Georg IV. und somit Herrscher des Vereinigten Königreichs. Seine Zeit in England nahm Einfluss auf die weitere Ausgestaltung der Parkanlage:

„In dieser Zeit entwickelte sich spätestens seine Vorliebe für alles Englische, das im Vergleich zu der verkrusteten absolutistischen Struktur in Frankreich geradezu liberal anmutete. Daraus lässt sich sein Ziel erklären, in der Mitte des heutigen Paris einen Garten im englischen Stil anzulegen. Er beauftragte den schottischen Gartenarchitekt Thomas Blaikie, der von 1785 bis 1788 dem Park eine andere Gestalt gab, eben dem englischen Stil verschrieben. Aufgrund dieses Stils war der Park eine Ausnahme im Frankreich seiner Zeit. Das eher verspielte Layout, die kurvigen Wege und eher zufällig platzierten Statuen unterscheiden ihn von den eher traditionellen französischen Gärten.

Der Park beinhaltet außerdem eine Reihe von Miniaturausgaben architektonischer Bauten, z. B. Ägyptische Pyramiden, chinesische Architektur, holländische Windmühlen und korinthische Säulen. Dies könnte darauf hindeuten, dass Louis-Philippe ein Freimaurer war. Im Park stehen Statuen berühmter französischer Persönlichkeiten wie z. B. Guy de Maupassant, Frédéric Chopin, Charles Gounod, Ambroise Thomas und Edouard Pailleron. Nach der Hinrichtung des an sich liberalen Bourbonen Louis-Philippe durch die Guillotine im Jahre 1793 im Zuge der Terrorherrschaft der Französischen Revolution ging der Park über in öffentliches Eigentum.“

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Chopin-Denkmal im Parc Monceau

Im Laufe seiner späteren Geschichte wurde eine Hälfte des Parks im Zuge der Restauration erneut der Familie d’Orléans zugeschrieben, während die andere Hälfte Staatseigentum blieb. Die Stadt Paris kaufte das Gelände 1860, reduzierte die mittlerweile 19 ha auf weniger als die Hälfte (man brauchte Bauland), der verbleibende „Rest“ wurde zum öffentlichen Park erklärt und 1861 von Napoléon III. eingeweiht.

Claude Monet, 1878 [Public domain] – MET New York
Der Parc Monceau, der sich im 8. und 17. Arrondissement befindet, war wohl schon immer ein beliebter Ort für Bälle und Feste und ist bis heute ein grünes Paradies in Paris, das von Naturliebhabern, Familien, Joggern usw. aufgesucht wird und gerne als Hintergrundkulisse für romantische (Hochzeits)Fotos dient. Künstler liebten den Park ebenfalls – Claude Monet malte sechs Bilder des Parks, drei davon 1876 und drei davon 1878, darüber hinaus ließen sich auch Gustave Caillebotte, Eugène Atget, Willy Ronnis, Hector Berlioz und viele mehr von ihm inspirieren.

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Venezianische Brücke im Parc Monceau

Meine Neugierde war geweckt – dennoch gestaltete es sich schwierig, herauszufinden, was für Pflanzen den Park ursprünglich ausmachten, ob er hier für irgendwelche Spezialitäten berühmt war. So, wie mir scheint, war und ist es der Park als Gesamtkunstwerk mit seinen vielen Teichen, seiner für die (damalige) französische Gartenarchitektur unkonventionellen Anlageform mit den geschwungenen Wegen, den vielen verstreuten und oftmals lauschigen Plätzchen als auch den (meisten der) Follies, den Verrücktheiten des Herzogs in Form von Miniaturbauwerken wie der Minipyramide, der römischen Kolonnade (Säulengang) und weiteren. Überflüssig zu erwähnen: die Sklaven in exotischen Kostümen als auch die fremden Tiere gibt es heute dort nicht mehr 😉

Totally White / 126 sieht sich inspiriert von einem Frühlingstag im Parc Monceau, an dem die Blüten sprießen – Weißblüher, aber nicht die, die wir für gewöhnlich darunter verstehen. Keine nachtblühenden Schwergewichte, sondern zarte Frühlingsboten, Flieder, Blauregen und Maiglöckchen, ferner Jasmin, welcher allerdings eher ein Sommer- bis Frühherbstblüher ist, dennoch …

Ein sanftes Bouquet, so liest sich das für mich, eventuell mit sauberen Anklängen, modern und jung – für mich bestätigt Totally White / 126 meine Vermutungen: Im Auftakt zeigt sich ein hübscher Flieder, der mich umgehend an Olivia Giacobettis Fliederklassiker En Passant für Frédéric Malle erinnert. In Malles Fliederzauber finden sich noch Anklänge von Croissants, so habe ich das in Erinnerung, der Hauch einer Ahnung einer nahen Bäckerei, einer französischen selbstredend, sind wir doch mit En Passant auch ganz deutlich in französischen, vielleicht auch Pariser Straßen unterwegs. Totally White / 126 fehlt diese Note, dafür cremt er und nachhaltig dank des Jasmins. Ein betont gezügelter, fast schon unschuldiger Jasmin, der keinesfalls indolisch tönt, sondern cremt, was das Zeug hält, darüber hinaus fein-pudrig würzt. Eine verhaltene Süße wohnt Totally White / 126 inne, darüber hinaus auch jene bereits angesprochene Sauberkeit, die irgendwo zwischen Seifigkeit und Weichspüler rangiert.

Ein sauber-pudriger Floraler oder floraler Sauberling, angenehm unkitschig und nicht überladen – Totally White / 126 ist ein zeitgemäßes Bouquet jungen Naturells. Wer zarte Blütendüfte, gerne auch moschuslastige mag, wird hiermit nicht fehlgehen – ich denke da an die komplette bzw. einen Großteil der Narciso Rodriguez-Kollektion, an Anamor All that matters, an Chanels Jersey, Keiko Mecheris White Petals, Hanae oder auch Mihimè,  ferner vielleicht Byredos La Tulipe sowie einige der neueren Chloé-Düfte.

Milky Musk / 39

„Rare wood in a pool of musk. Supple and unctuous, musk and sandalwood hug the skin, becoming one with it. Even the slightest movement triggers a waft of milky woody air. Milky Musk becomes your olfactory shadow, flowing and elusive, evolving throughout the day.“

Die Ingredienzen: Moschus, Sandelholz, Feige

Erlesene, rare Hölzer in milchigen Moschus getaucht, das im Zusammenspiel mit Sandelholz die Haut liebkost – das liest sich fast wie ein Versprechen, oder nicht?

Ich bin ein wenig zögerlich, muss ich gestehen. Warum? Wegen der Feige oder überhaupt – wegen den Ingredienzen. Ich liebe Feigen, habe aber wirklich schon einige hier im hauseigenen Sortiment, darüber hinaus kenne ich noch viel mehr wirklich gute Vertreter dieser Duftfraktion. Ihr seht – Ermüdungserscheinungen. Dennoch, es führt ja kein Weg daran vorbei, das Pröbchen liegt bereits vor mir auf dem Tisch und ich bin wie gewohnt zu neugierig, um mich jetzt noch wegzuducken 😉

Milky Musk / 39 überrascht mich, weil er weitaus fruchtiger startet als erwartet – aber eine Feige, ist das wirklich eine Feige? Klar, es ist ein ebensolches Exemplar vorhanden, da ist aber noch etwas anderes … Ich meine, hier einige Aromastoffe zu erkennen – Ambrettolide beispielsweise, die den Duft seifig-fruchtig-beerig erscheinen lassen, ihm eine gewisse Wärme schenken als auch ein strahlendes Leuchten, latente Minzaromen sind vorhanden, die eventuell auf Stemone zurückzuführen sind. Aber – ich bin kein Riechstoffchemiker, kenne zwar einige der Rohstoffe, sehe mich aber auch nicht als „Duftanalysator“, sondern als … ja, als was eigentlich? Als jemand, der den Geist eines Duftes, seinen Charakter, seine Aussage übersetzt – vom Olfaktorischen ins Verbale. Jetzt hätten wir das auch mal geklärt 😉

Kommen wir zurück zu Milky Musk / 39: Er ist in jedem Fall größtenteils synthetisch – und die synthetischen Moleküle, die hier am Wirken sind, zeigen sich wie häufig vieldimensional und mehrschichtig. Der Auftakt von Milky Musk / 39 ist fruchtig, er zeigt halbreife Feigen, darüber hinaus aber Beerenfrüchte, für meine Nase rote Beeren, in Puderzucker getauchte Himbeeren, wenn Ihr es genau wissen wollt. Dem Duft wohnt im ganzen weiteren Verlauf jene leichtfüssige Beeren-Puderzucker-Süße inne, die ihn jung erscheinen lässt und unbeschwert – und mich an dieser Stelle an Frucht-Moschus-Klassiker erinnert wie L’Artisan Parfumeurs Mûre et Musc, ferner auch an Acqua di Biellas Cashmere Twill (der allerdings parfumiger ist, eleganter, reifer). Darüber hinaus brilliert Milky Musk / 39 aber auch mit einem streichelweichwürziganschmiegsamen Moschus-Sandel-Duett, das wiederum dufttechnisch in eine andere Richtung weist – hier fallen mir vor allem Le Labos Santal 33 ein, jener noch junge Bestseller, der schon zum Kultduft avanciert ist, sowie ein Klassiker, Diptyques Tam Dao, eines der Vorzeigesandelhölzer. Cremig, würzig, holzig, weich, balsamisch, süß und von zurückhaltendem Blattwerk eingerahmt, so zeigt sich die zweite Seite von Milky Musk / 39.

Das fügt sich überaus adrett zusammen und ist für viele sicherlich ein Wohlfühlduft und sinnlicher Seelenschmeichler. Prinzipiell sehe ich Milky Musk eher an Frauen, obschon es vielleicht den einen oder anderen Mann gibt, dem er ebenfalls stehen könnte.

Übermorgen geht es weiter mit den duftenden Erzählungen von Parle Moi de Parfum – bis dahin alles Liebe und viele Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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