Von Architektur, Design und Düften – bogue Profumo

Vor nicht allzu langer Zeit ist bogue Profumo bei uns im Shop gelandet – Grund genug, sich diese Marke einmal näher anzusehen.

„Nase“ und mehr – Antonio Gardoni

Der Mann hinter bogue Profumo ist Antonio Gardoni, der ein schöpferischer Tausendsassa zu sein scheint, das wird schnell klar. Gardoni ist Architekt und darüber hinaus auch als (Industrie)Designer tätig sowie als Innenarchitekt. Er designte unter anderem eine Möbellinie namens „Unhappy Family“, schrieb ein Buch namens „Food by Design“, arbeitete lange Jahre in erfolgreicher Partnerschaft mit den Londoner Jump Studios, einem Architekten- und Designerkollektiv – als weitere Station auf seiner kreativen Reise fügt sich die Kreation von Düften in sein Portfolio ein, annähernd nahtlos. Gardoni experimentierte nach eigener Aussage schon länger mit Düften, der Verwendung natürlicher Rohstoffe und Aromen, beglückte zuerst sein Umfeld damit, um dann mit Maai 2014 den nach seinem Bekunden ersten „richtigen“ Duft vorzulegen. Bei Zoologist Perfumes, einer im übrigen sehr testenswerten Duftlinie, findet Ihr ein Interview mit ihm – er kreierte deren Duft Tyrannosaurus Rex.

„From the infusion in alcohol of resins, woods, roots and metals I create some of the solvents
I use to dissolve rare and high quality raw ingredients found in my trips. From steam distillation I extract the essential oils to create odors and fragrances.

I work at night when the light doesn’t adulterate the chemicals and when the smells of the day disappear to leave space to new experiments of shadows.

I create contemporary fragrances with ancient techniques and modern intuitions.

From architecture and design I learned how to build by layers and to think by subtraction.
My perfumes are rooms to discover with their mood, texture, light and color.“

– Antonio Gardoni

Geklaut bei Antonio Gardoni

Hier ein Video-Interview von Smelling Great Fragrances Reviews von der Esxence in Mailand:

Stürzen wir uns doch gleich ins duftende Vergnügen – ich bin sehr gespannt, was uns erwartet!

Come closer – Maai

Ingredienzen: Tuberose, Rose, Jasmin, Ylang-Ylang, Zibet, Castoreum, Hyrazeum, Trockenfrüchte, Sandelholz, Eichenmoos

In obigem Video verrät Gardoni, dass Maai für ihn ein wichtiger Duft ist und im Kern eigentlich eine Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner früheren Idee, seiner Vorstellung von Tuberosen („a battle between me and an idea I used to have about tuberose“ – daher kommt im übrigen auch der Name, ein japanischer Begriff aus dem Bereich der Martial Arts, der den Zwischenraum zwischen den beiden Gegnern bezeichnet; wobei das eigentlich zu simpel ausgedrückt ist, es handelt sich bei Maai um ein Konzept, nicht nur um ein bisschen leeren Raum) darstellt, was er im weiteren auch ausführt. Ihm geht es nicht anders wie vielen anderen auch, meiner Erfahrung nach vor allem auch Männern. Sowohl Tuberosen in ihrer natürlichen Form, ergo blühend im Garten oder wo auch immer, sowie in Parfums waren Gardonis Gefühle zwiegespalten: Einerseits faszinierte ihn der Duft dieses Weißblühers, andererseits empfand er ihn gleichermaßen aber auch als störend, verstörend. Und befasste sich dann wohl geraume Zeit nicht mehr mit dieser Königin der Weißblüher, es gibt ja noch viele andere hübsche Aromen 😉 Gardonis Fokus lag dabei auf Weihrauch, einem orientalischen Weihrauch – Maai war somit anfänglich als Weihrauch-Duft geplant, bis Gardoni auf ein spezielles, grünes Tuberosenextrakt stieß, das nun das Herz oder vielmehr den Charakter von Maai ausmacht. Für Gardoni bedeutete Maai den Durchbruch – er bekam eine Menge Anerkennung, unter anderem auch von Luca Turin („Gardonis spectacular Maai“), darüber hinaus viel positives Feedback von den üblichen Verdächtigen, will sagen: diversen Duftblogger. Ich habe Euch einige Reviews herausgesucht, falls Ihr Lust zum Stöbern habt:

Viele der oben genannten überschlagen sich regelrecht in ihrer Begeisterung:

„The hardest reviews to write are about the perfumes that touch you the deepest. They’re only the ones you love the most, but they feel so intertwined with your heart, which doesn’t leave much room for words. […] Maai is a classic animalic chypre. It’s one of those civet bombs that are decorated very elaborately with rich floral notes, mostly jasmine and rose of the kind that once upon a time made Joy de Patou the „costliest perfume in the world“. Once again I am reminded that this is what perfume is all about, and that’s how it’s supposed to make me feel: extravagant, dangerous, powerful, beautiful. […] Maai is still there the day after, and is often hard to wash from clothes and linens. Not that I want to. I like my secret beast to stay with me forever.“ – Gaia Fishler, The Non-Blonde

„Maai… oh my oh my. This is old school devastation. It reeks of pre-IFRA operatic, full-scale, room clearing skanky chypré desire. […] If you are looking for scented danger, some shadowed olfaction, then Maai by Antonio Gardoni’s Bogue is aberrant and outstanding perfumery and your skin needs it, deserves it.“ The Silver Fox, Ça Fleure Bon

„It owes its soul to masculine chypres of yesteryear – those glorious Cary Grant compositions that are more expertly put together than an origami-folded pocket square – but it dresses its body with lean, modern finery.“ Dariush Alavi, Persolaise

„Maai is the perfect Retro Nouveau fragrance in my opinion; Sig. Gardoni has pulled off a clever bit of perfumery that is much more accomplished than it should be. It feels like it could have come from a long-lost bottle found deep in a cabinet and it feels like it could be found on a small boutique counter next to present day brands. Maai is as good as modern independent perfumery gets.“ Mark Behnke, Colognoisseur

„I feel like a sexy beast in a tailored suit when I wear it.“ Miguel Matos, Fragrantica

Meistens lese ich keine Beschreibungen, bevor ich einen Duft teste. Oft nicht einmal bevor ich ihn rezensiere. Mitunter danach, aus Neugierde, um zu vergleichen. Manchmal aber, wie in dem Fall von Maai, liebe ich es, vorab Beschreibungen zu lesen, weil sie mitunter die Spannung steigern. Ein Retro-Duft soll Maai also sein, ein Duft, der die alten Klassiker, die ganz Großen, wieder aufleben lässt und dennoch modern ist, zeitgemäß. Opulent, klar. Und vermutlich – kontrovers. Aber das sagt ja Gardoni ohnehin schon in dem Video-Interview.

Kaum landet Maai auf der Haut, kann ich es nur bestätigen, vieles. Wow. „Fett“. Ein Kracher, eine Walküre, wie bei Kafkaesque zu lesen ist, eine Kriegergöttin. Der Duft macht keine Gefangenen, ganz klar. Und lässt diejenigen zurück, die keine Vintage-Düfte lieben. Wem großes Duftkino zu viel ist, der muss Maai nicht testen, das steht außer Frage. Darüber hinaus sollte man Chypres lieben. Und animalische Düfte. Beides früher oft vertreten, etliche der Klassiker fallen in die eine und/oder die andere Kategorie. Maai nimmt sie beide mit. Und erinnert mich in allerbester Manier an die Achtziger – als Parfums noch Parfums waren, als Düfte noch, absolut positiv gemeint, riefen „Hallo, hier bin ich!“.  Aldehyde mit leisen Haarspray-Anklängen und abstrakten Fruchtnoten, seifig und von einer gewissen Pudrigkeit, ziemlich genau richtig dosiert für jemanden, der sich nicht zu ihren ganz großen Fans zählt, so wie ich. Gaanz viel Eichenmoos traditionellster Sorte und erlesene animalische Anklänge, gehüllt in Rauchschwaden. Was das Eichenmoos angeht, bin ich, ähnlich wie bei Kafkaesque geschrieben, überrascht: Ich habe keine Ahnung, wie Gardoni das hinbekommen hat: es duftet wie jede Menge „echtes“ Eichenmoos, das IFRA-technisch mittlerweile streng reguliert ist. Dieser Wunderstoff, der nach Erde und Torf, nach Tinte und Feuchtigkeit, nach feuchtem, dampfendem Waldboden riecht, nach Flechten und Holz, von einer feinen süßen Salzigkeit.

,,, einige viele Minuten später sitze ich immer noch hier, schnuppere an meinem Handgelenk und lese mir meine bisherigen Zeilen erneut durch. Sie sind – missverständlich. Ja, Maai ist ein Retro-Duft, aber kein „gewollter“. Er hat ein Vintage-Herz, ist aber dennoch sehr modern. Er ist üppig, opulent, überbordend, aber dennoch facettiert, vielseitig, vielgestaltig, ausgestattet mit einem wahnsinnigen Duftverlauf, der über Stunden andauert. Dieser bezirzt und betört mit Anklängen von Honig und getrockneten Früchten, die für mich gelb sind, Aprikosen, Pfirsiche. Der Blüten gibt es viele, Rosen, samtig und majestätisch, cremiger Jasmin mit unterschwellig indolischen Anklängen, nektarsüße Ylang-Ylang-Blüten sowie würzig-balsamisches Sandelholz von einer unwiderstehlichen holzigen Süße. Und natürlich jene grüne Tuberose, die gleichermaßen farbig leuchtend wie düster wirkt.

Fast im Sekundentakt fühle ich mich an einen Duft erinnert, an einen der Großen – Yves Saint Laurents Kouros fällt mir genauso wie einigen anderen ein und Amouages Jubilation 25 (die Damenvariante), darüber hinaus vero.profumos Onda, Etros Palais Jamais (die Vetiver-Tuberose im maurischen Gewächshaus, dem dämpfigen) und viele Vollblutchypres, vor allem die der Achtziger. Und dennoch – ich kann die eine oder andere Meinung, Aussage nicht teilen, die in obigen Rezensionen vertreten wird: Maai ist trotz seiner Prägnanz, seines Temperaments, seiner Leidenschaft elegant. Er ist edel. Und erlesen. Er ist kein vulgäres Biest, keine sexy Hexy. Insofern schließe ich mich eher dem Tenor von Gaia Fishler, The Non-Blonde, an, die Maai als einen jener Düfte klassifziert, mit denen man sich schön, begehrenswert, weiblich, sinnlich, großartig fühlt – im Gegensatz zu Miguel, der für mich den Duft zu sexualisiert wahrnimmt 😉 Kann man machen, geht aber für mich hier bis zu einem gewissen Grad fehl, weil Maai Tango ist und nicht Salsa, wenn Ihr versteht, was ich meine.

Bei mir geht er umgehend in den Dauertest, den ich fürchte, ich „brauche“ eine Flasche … Und ich bin wahnsinnig gespannt auf die nächsten beiden Düfte von bogue, die wir uns morgen zusammen anschauen!

Ein schönes Wochenende meine Lieben und viele herzliche Grüße

Eure Ulrike

 

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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