This is the Beat Generation – On the Road von Timothy Han / Edition …

… ist heute Thema: Gestern hatten wir uns bereits The Decay of the Angel angeschaut, heute ist jetzt On the Road an der Reihe, der sich, wie Ihr sicherlich bereits ahnt, dem gleichnamigen Klassiker von Jack Kerouac widmet, der um einiges bekannter ist als das literarische Vorbild des gestrigen Duftes.

On the Road

„Das Parfum wurde von Jack Kerouacs gleichnamigem Roman „Unterwegs“ aus dem Jahr 1951 inspiriert. Ein Unisexparfüm, das von einer Geschichte der Rastlosigkeit und des unbändigen Verlangens erzählt und uns die Beat-Gegenkultur eines vom Jazz geprägten Nachkriegsamerikas erleben lässt.

Erleben Sie die erste Edition von On the Road als einen Duft-Roadtrip durch das Amerika der 1950er Jahre. Sie ist auch der Zusammenarbeit mit dem in London lebenden Künstler Cedric Christie zu verdanken, der auf einer Reise von New York nach San Francisco eine Reihe von Fotos mit einem 35-mm-Film aufgenommen hat.

On the Road ist in der Natur unterwegs. Der Duft beginnt mit rauchigen Noten von Benzoe und Birke, die an den heißen Asphalt und den Kies von New York City erinnern. Geprägt von Streifzügen durch Bars, in denen ein intensiver Tabakgeruch in der Luft hängt und wo die Jazzgrößen eine neue Ära der Musik definieren, führt uns unsere Reise durch die Weite der staubigen Kornfelder im Mittleren Westen Amerikas und erhebt sich in die Zedernwälder der Pazifikküste. Die Rastlosigkeit der Reise macht schließlich dem Optimismus Platz, den der frische grüne Duft von Galbanum, Zitrus und Bergamotte hinterlässt.“

Kopfnote: Galbanum, Zitrone, Bergamotte, Lavendel; Herznote: Amyris, Zedernholz, Patchouli; Basisnote: Tonkabohne, Eichenmoos, Guajakholz, Benzoeharz, Birke, Vanille, Labdanum (Zistrose), Perubalsam.

On the Road, Unterwegs – Kerouacs 1957 erschienener Roman ist mit Sicherheit einer der bekanntesten, wenn nicht der bekannteste der als Beatniks bezeichneten Autoren der Beat Generation gilt.

Wer, was, wo? Der Begriff Beat Generation steht für eine Reihe amerikanischer Autoren der Fünfzigerjahre – die bekanntesten sind Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs, darüber hinaus Gary Snyder, Neal Leon Cassady, Bob Kaufman und einige mehr. Entstanden ist das Etikett Beat Generation durch Kerouac selbst, der sich und sein Umfeld Ende der Vierzigerjahre in einem Gespräch mit John Clellon Holmes so betitelte. Dieser wiederum veröffentliche 1952 in der Sunday New York Times das Manifest This is the beat generation als auch den Roman Go, der eben jene in den Fokus stellte. Wiki hilft einmal mehr hinsichtlich des Namensursprungs selbst:

„Das Adjektiv beat aus dem Slang der Kriminellen, den Herbert Huncke in die Gruppe um Kerouac, Ginsberg und Burroughs einbrachte, hatte die Bedeutungen „besiegt“, „müde“ und „heruntergekommen“, aber Kerouac prägte zusätzlich die Bedeutungen „euphorisch“ (upbeat), „seligmachend“ (beatific) und in Bezug auf Musik, vor allem Bebop, auch being on the beat („im Rhythmus sein“).“

Und weiter:

„Eine kleine Gruppe von Autoren und ihren Freunden als „Generation“ zu bezeichnen, sollte den Anspruch verstärken, dass sie repräsentativ und wichtig für die Entwicklung einer neuen Stilrichtung waren, man beanspruchte das Erbe der Lost Generation um Scott Fitzgerald und Hemingway zwischen den Weltkriegen.“

Spontan, kreativ, „chaotisch“, unkonventionell, freigeistig – die Lebensweise der Beatniks, die als erste, moderne (literarische) Subkultur Ende der Fünfzigerjahre auch auf den Mainstream rückwirkten und das noch Jahre später tun, Einfluss ausüben auf Literatur, Kunst, Musik im alternativen Bereich, in Amerika und auch anderswo. Die wichtigsten Werke sind klar – Kerouac ganz vorne mit dabei, dann Naked Lunch von Burroughs (Skandal! Der Roman wurde in den 60ern tatsächlich mal verboten als „widerlicher Gifthauch ununterbrochener Perversion, literarischer Abschaum“ und großzügig ignoriert, gilt aber heute als Klassiker, wenn auch eigenwilliger; Cronenberg hat ihn Anfang der 90er frei verfilmt, obschon er als unverfilmbar galt), Howl von Ginsberg (ein überlanges Gedicht).

Was Kerouac angeht, habe ich beim erneuten Recherchieren im übrigen etwas dazugelernt: Er hat in der Tat ein Theaterstück geschrieben, das den Namen Beat Generation trägt und dessen Niederschrift 2005 auf einem Speicher in New Jersey wiederentdeckt wurde – war mir bis dato unbekannt.

Jack Kerouac 1956 von Tom Palumbo from New York, USA [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
Zurück zu Kerouac und On the Road: Kerouac verdankte seiner Sportlichkeit ein Universitätsstudium, das er in Folge eines Beinbruchs abbrach, um daraufhin in die Handelsmarine zu wechseln, nachdem ihn die Kriegsmarine abgewiesen hatte. Er schaffte es später doch noch zu der United States Navy, wurde aber nach knapp einem Jahr mit 22 Jahren als paranoid-schizophren diagnostiziert und deshalb entlassen. Schon damals verbrachte er die Zeit, wenn er nicht auf See unterwegs war, in New York bei seiner Clique, Ginsberg, Cassady, Carr und Burroughs – Kollegen und Kontakte, die selbstredend Einfluss nahmen auf sein Werk. Wiki fasst es schön zusammen:

„Es waren Kerouacs wildeste Jahre – mit Wein, Drogen, sexuellen Abenteuern und Reisen durch die USA, Mexiko, Nordafrika und Europa. Diese Reisen legten den Grundstein für seine Romane, die in einem von Drogen und rhythmischer Umgangssprache geprägten Stil geschrieben sind. Auch die Musik des Bebop und der Zen-Buddhismus begeisterten ihn; in einem Nachruf bezeichnete Kerouac den Jazzmusiker Charlie Parker als „Buddha“. […]

Zwischen 1947 und 1950 reiste Kerouac mit dem oft als „irre“ bezeichneten Neal Cassady kreuz und quer durchs Land. Cassady war für Kerouac die Verkörperung eines romantischen Ideals von Amerika: rastlos, abenteuerlustig, sexuell überaktiv – ein Cowboy, der das Pferd gegen ein Auto getauscht hat. Kerouac saß meist nicht selbst am Steuer, er war stets lieber Beifahrer und Beobachter.“

Mit Verlaub, eine explosive Mischung: ein diagnostizierter Paranoid-Schizophrener, ein als „irre“ Etikettierter und vermutlich sehr viele, gerne auch bewusstseinserweiternde Drogen … Wir lassen das mal so stehen – zumindest gab es jede Menge Material für Geschriebenes her, das Kerouac am Anfang aber nicht richtig in Worte fassen konnte, siehe Wiki:

„Kerouac fand zunächst keine Sprache für das Erlebte, die wilden Partys, die Rastlosigkeit und künstlerischen Visionen seiner Freunde, das Leben aus Gelegenheitsjobs und Kunst. Erst der frische und ekstatische Stil, in dem Cassady ihm Briefe schrieb, erschien Kerouac als der richtige Zugang zu dem Lebensgefühl und so entstand 1951 der Roman On the Road (deutsch: Unterwegs), der aber erst 1957 veröffentlicht wurde. Das Manuskript tippte er in nur drei Wochen auf eine lange, aus zurechtgeschnittenen Bögen Zeichenpapier zusammengeklebte Rolle – und nicht, wie es eine landläufige Legende zu wissen behauptet, auf eine Rolle Fernschreiberpapier.“

Besagte Rolle wurde im übrigen 2001 bei Christie’s für knapp 2,5 Millionen Dollar versteigert. Und Neal Cassidy war Vorbild für den Protagonisten aus On the Road, für Dean Moriarty. Dieser reist mit dem Erzähler, Sal Paradise, durch die Staaten und … ganz genau, feiert, mit allem, was dazu gehört (oder eben auch nicht, Ihr wisst schon). Neben Cassidy finden im übrigen unter anderen Namen auch die restlichen Kumpels Eingang in das Werk Kerouacs, das selbstredend stark autobiographisch geprägt ist. Sex, Drugs und jede Menge Jazz, nicht nur besprochener, auch die Sprache gleich ihm, dem Jazz.

On the Road ist – eine Absage. Eine Absage an die damaligen Normen, die sehr strikten, ein Aufbegehren und Ketten-Sprengen, wenn man so möchte. Der Versuch, auszubrechen aus einer immens starren Gesellschaftsordnung, das Etablieren einer eigenen Lebensform, die eigenen Werten folgt, einem eigenen Tempo, genügend Raum lässt für freie Entfaltung, Kreativität und so weiter. Im übrigen war Kerouacs On the Road natürlich auch das Vorbild für Dennis Hoppers Kultfilm Easy Rider.

Obgleich On the Road ein großer Erfolg war, war Kerouac selbst nicht von Glück gesegnet in seinem restlichen Leben. Drei gescheiterte Ehen, die erste dauerte keine zwei Monate, die zweite weniger als ein Jahr. Die dritte endete nach nicht einmal drei Jahren mit Kerouacs Tod 1969 im Alter von 47 Jahren, im übrigen ein Jahr nach Neal Cassidy.

Auch wenn On the Road heute auf jeder, wirklich jeder Top100-Liste amerikanischer Literatur steht, erfuhr Kerouac von Kritikerseite wenig Anerkennung, viele, auch andere Autorenkollegen machten sich über seine Sprache lustig oder verunglimpften diese seine spontaneous prose – Beispiele gefällig? Truman Capote („That isn’t writing; it’s typing“), Hunter S. Thompson („The man is an ass, a mystic boob with intellectual myopia“), Aldous Huxley („I got a little bored after a time. I mean, the road seemed to be awfully long.“ – gemein, weil Kerouac umgekehrt ein großer Huxley-Fan war), Charles Bukowski (“A writer who couldn’t write but who got famous because he looked like a rodeo rider“ – Bukowski mochte keinen der Beatniks und lästerte auch über andere, gab aber später auch zu, dass er eifersüchtig war) – das dürfte einen Einblick geben. Fanboys gab es selbstverständlich auch, allerdings waren viele darauf aus, eben mal mit Kerouac „on the road“ zu gehen, rumfahren, saufen, Spaß haben, während die Allgemeinheit die Beatniks als nutzlose Herumtreiber, als Taugenichtse ansah. Das verbitterte Kerouac zunehmend, Alkohol- und Drogenprobleme nahmen überhand, finanzielle Probleme waren vorhanden, so zog Kerouac zurück zu seiner Mutter (!), bei der (und vermutlich auch: von der) er bis zu seinem Tod jahrelang lebte. Ich lasse das jetzt einfach mal so stehen – und zitiere zum Abschluss Kerouacs Protagonisten Paradise:

„The only people for me are the mad ones, the ones who are mad to live, mad to talk, mad to be saved, desirous of everything at the same time, the ones who never yawn or say a commonplace thing, but burn, burn like fabulous yellow roman candles.“

„We lay on our backs, looking at the ceiling and wondering what God had wrought when He made life so sad.“

„[…] for life is holy and every moment is precious.“

„Isn’t it true that you start your life a sweet child, believing in everything under your father’s roof? Then comes the day of the Laodiceans [bezieht sich, abgekürzt, auf die christlichen Kirchen bzw. die Christen] , when you know you are wretched and miserable and poor and blind and naked, and with the visage of a gruesome, grieving ghost you go shuddering through nightmare life.“

Auf der Haut ist On the Road schnell – und ich bin wirklich „on the road“, genauer gesagt: mit der Nase im Teer 😉 Eine fette Birkenteernote, die an Andy Tauers rauchigste und dreckigste Birkenteeranwandlungen denken lässt (sein Orris hatte, wenn ich mich richtig erinnere, ebenfalls eine gewaltige solche Note). Dreht man hier derart an diesem „Duftregler“, erinnert mich das, genauso wie in Le Labos, von Annick Menardo kreiertem Patchouli 21 an Speck, Räucherspeck, zumindest aber eine große Räucherkammer. Hatte ich erwähnt, dass ich Vegetarier mit starker Tendenz zum Veganer bin? Dennoch – den Le Labo liebe ich. Auf unserer Duftstraße also ebenfalls – Räucherspeck, Räucherkammer, ledrig wirkender Teer und dazwischen … zitrisch-krautige Anklänge, spritzig, frisch, dynamisch, ich darf also in die Ferne blicken … die mich alsbald mitten in den Wald führt: Hölzer satt, ein bisschen Moos, das Aroma von Tannennadeln und … Lagerfeuer. Naomi Goodsirs Bois d’Ascèse, nur ohne Weihrauch. Knisterndes, krachendes, wärmendes Lagerfeuer, züngelnd, rauchig, kokelig. Ein Quentchen balsamische Wärme und von irgendwoher Noten einer grünen Wiese in der abendlichen Dunkelheit …

Ich liebe Patchouli 21. Und ich liebe Bois d’Ascèse. Das könnte ein Grund dafür sein, dass mir On the Road wahnsinnig gut gefällt. Er ist knackig, richtig knackig. Ich bin mir ganz sicher, dass ihn nicht viele Frauen tragen möchten – diejenigen, die derlei Düfte mögen, werden ihn lieben. An Männern wird er vielen gefallen, es darf dann aber bitte auch ein kerniger Kerl sein, der ihn trägt 😉 … yep, dem berühmt-berüchtigten Lumbersexual steht er auch 😉

Morgen folgt der letzten Duft der Timothy Han / Edition, bleibt dran, es bleibt spannend!

Viele liebe Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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