Atelier PMP – ein Abgesang an den Mainstream

Das feine kleine Independent-Label Atelier PMP steht für die Abkehr vom Mainstream, von Uniformiertheit, vom glatt gebügelten Leben der Anzug- und Kostümträger. Es steht für die Freiheit, die Wildheit, die Entschlossenheit, das Leben zu genießen, auch abseits der gesellschaftlichen Normen. Mal über den Tellerrand hinauszublicken in die reale Welt jenseits der Chanelkostümchen, der Armanianzüge und der Michael-Kors-Taschen. Die Welt außerhalb von überteuerten Mietwohnungen und spießigen Eigenheimen. Atelier PMP, das sind Stefanie Mayr und Daniel Plettenberg. Zwei, die sich um die Jahrtausendwende in Hamburg kennenlernten. Sie als Bewohnerin des damals noch existierenden Bauwagenplatzes „Bambule“, er als Organisator diverser Veranstaltungen der „Roten Flora“. Zwei, die der gleichen Szene angehörten und die Alternative zum konventionellen Lebensstil bevorzugten.

Atelier PMP

Als Designerin und Künstlerin besitzt Stefanie Mayr einen kleinen Laden namens Elternhaus im Hamburger Karolinenviertel unweit des 2002 geräumten „Bambule“. Hier verkauft sie selbst designte Kleidung mit markigen Sprüchen, die zum Nachdenken anregen sollen, wilden Alloverprints wie Plattenbauten, Schiffscontainern, überdimensionierten Südfrüchten, Koiteichmomentaufnahmen oder Wortendlosschlaufen. Kleidung, die gemütlich, bequem und nach seligem Rumgefläze auf dem Sofa aussieht und von Schickimickimode nicht weiter entfernt sein könnte. Keine Baucheinziehschnitte oder Presswurstklamotte.

Mit Daniel Plettenberg gründete Stefanie Mayr vor einigen Jahren das Parfumlabel Atelier PMP, dessen Abkürzung für Perfume Mayr Plettenberg steht. Sie selbst schreiben über sich:

Mit ihren ungewöhnlichen Parfumkonzepten wollen Stefanie Mayr und Daniel Plettenberg das altehrwürdige Thema „Parfum“ neu erzählen. Dabei geht es nicht nur um den tatsächlichen Duft, sondern insbesondere um die Idee dahinter. Parfums mit einer Haltung, Parfums die eine Zeitströmung repräsentieren, eine Idee greifbar machen.

Spitzenparfumeure wie Mark Buxton übersetzen die Ideen in einen Duft.

Unterschiedliche Künstler aus der ganzen Welt unterstützen uns um mit ihnen die Geschichte der Parfums kunstvoll zu erzählen.

Doch genug zum Background. Stürzen wir uns doch gleich ins Duftgeschehen der drei PMP-Parfums mit den vielsagenden Namen Dreckig bleiben, Anti Anti und Concrete Flower.

Dreckig bleiben – sauber kann jeder

Nomen ist hier hoffentlich nicht omen. Rein namentlich erwarte ich den reinen Duft ungelüfteter Jungsellenbuden, verschwitzter Klamotten oder Stinkesocken. 😛 Aber auch dreckverschmierte lachende Kindergesichter, die glücklich dem strömenden Regen trotzen und Matschburgen, Staudämme und andere tolle Kinderdinge bauen. Dreckig bleiben kann so viel bedeuten. Glücklicherweise geben uns Atelier PMP einen kleinen Einblick in ihre Interpretation davon (und glücklicherweise ist diese weit, weit weg von meinen seltsamen Hirnspinnereien):

Dreckig bleiben bedeutet, mit den besten Freunden, in der uralten, aber gemütlichen Jogginghose, am Fluss um das Lagerfeuer zu sitzen. Mit den Füßen im Sand und einem Glas Wein in der Hand. Kein Kostümchen, keine High Heels, kein weißes Hemd, keine rahmengenähten Schuhe. Nicht tun als ob, sondern einfach selbst sein. Keine Etikette, keine Tricks. Ich bin ich. Und am nächsten Morgen krabbele ich aus dem Bett, bin glücklich und zufrieden und trage immer noch den Duft der Nacht und des Lagerfeuers an mir. Besser kann es nicht sein.

Dreckig bleiben – eine fein abgestimmte Absage an die Oberflächlichkeit. Formuliert wie das Paar runtergerockter Lieblingssneaker oder eine Unterarmtätowierung, die für sich steht. Und nichts sonst.

Der Rauch des Lagerfeuers, das Holz, die Leichtigkeit des Seins …!

Atelier PMP Dreckig bleibenDie Kreation ihrer Düfte legte Atelier PMP in die Hände des renommierten Parfümeurs Mark Buxton. Die Lagerfeuer-Stimmung von Dreckig bleiben erschuf er aus den Duftnoten Rauchige Noten, Bergamotte, Neroli, Mandarine, Ingwer, Labdanum (Zistrose), Gurjunbalsam, Elemiharz, Amyris, Zedernholz, Guajakholz, Sandelholz und Vanille. Na, wenn das nicht rauchig rüberkommt beim Testen, weiß ich auch nicht. 😉

Frisch aufgesprüht lacht mir zuerst eine erstaunlich unrauchige Hesperidenfrische entgegen, zu der sich aber alsbald jene Rauchnoten gesellen, die von PMP angekündigt waren. Dunkel-rauchige, trockene Holzkohlenoten verleihen Dreckig bleiben deutliche Lagerfeuermomente. Leise glimmende Glut, hellgrau aufsteigender Rauch, die Wärme des zart aufflackernden Feuers. All dies nehme ich in Dreckig bleiben wahr. Es ist ein komplexer Duft, in dem die einzelnen Duftnoten derart dicht verwoben sind, dass sie nur als Einheit wahrnehmbar sind. Harze und Hölzer ergeben eine wunderbar authentische und trockene Rauchnote, zart, aber dennoch präsent. Die Wärme, die Dreckig bleiben innewohnt, ordne ich Sandelholz und Vanille zu. Wirklich ein ungewöhnlicher Duft, der für Freunde von rauchigen Düften auf jeden Fall den Test wert ist. 🙂

Anti Anti – das neue Pro

Redundanzen prägen sich ein. Damit hat Anti Anti schon gewonnen. Die griechische Vorsilbe mit der Bedeutung „gegen“ hebelt sich in diesem Parfumnamen selbst aus. Anti Anti heißt dafür und nicht dagegen. Das eigentlich negative Wort wird durch eine Verdopplung ins Positive umgekehrt. Eine tolle Idee! Doch lest selbst, was Atelier PMP zu ihrem Duft schreiben:

anti anti – nicht gegen, sondern dafür!

Für uns und für das Andere!

Antipode, Antidot, Antizipation, antiautoritär – viele gute Ausdrücke nehmen sich der beiden Vorsilben an. Wir stellen einen gleichsam politischen Duft vor, ungerochen modern. Ein völlig neu konzipiertes Parfum, edel und ehrlich zugleich – wer es trägt, wird Aufmerksamkeit erregen! Oder Anti-Aufmerksamkeit?

anti anti. Nicht gegen! Sondern dafür: für das Leben mit seinen Hochs und Tiefs, für die Menschen mit ihren Unterschiedlichkeiten, für die Freiheit – im Kopf, im Sein, im Anderssein. Für das Mitfühlen und das Auseinandersetzen …

anti anti feiert die Freiheit, feiert den Genuss des Moments, für Menschen mit Haltung, für Menschen mit Inspirationen und Ideen, für die Offenheit gegenüber dem Anderen. anti anti ist eine Utopie …

Atelier PMP Anti AntiMark Buxton zaubert eben jene Anti-Anti-Utopie aus den Duftnoten Haselnuss, Bitterorange, Roter Pfeffer, Kardamom, Osmanthus, Leder, Birkenteer, Schokolade, Labdanum (Zistrose), Eiche, Vetiver, Sandelholz, Zedernholz, Moschus und Benzoeharz.

Im Auftakt zeigt Anti Anti seine positiven Seiten: Die zitrische Herbe der Bitterorange vereint sich mit der würzigen Schärfe von rotem Pfeffer sowie fruchtig-floralen Osmanthus. Weiche helle Schokolade erzeugt zart schmelzende Akzente. Samtige (Wild-)Ledernoten kommen hinzu sowie eine subtile Rauchigkeit. Harze und Hölzer sorgen für eine trockene, warme Stimmung, während Moschus eine unterschwellige Pudrigkeit evoziert. Anti Anti ist ein sehr schöner und gewiss moderner Duft. Ob er politisch ist, das lasse ich jetzt mal dahingestellt und jedem selbst überlassen. 🙂

Atelier PMP – Concrete Flower

Zu guter Letzt ein Duft, der in der PMPschen Trilogie namentlich aus der Reihe fällt: Concrete Flower. Nach dem provokativen Dreckig bleiben und dem kantigen Doppelmoppel Anti Anti ist Concrete Flower schon sehr normal (was auch immer das bedeuten kann/soll/darf). Dieser Duft soll wohl nicht bereits namentlich anecken (wobei die Übersetzung Betonblume auch irgendwie irritierend ist), sondern inhaltlich. Er ist den Graffitis gewidmet, jenen Spraydosenwerken, die für die einen nur Schmiererei und Vandalismus, für die anderen Kunst und Kulturgut sind.

Eine Verneigung vor der Kunst des Graffiti. Am Anfang stand eine einfache Frage: Was bringt den Beton zum Blühen, was bricht die graue Tristesse auf?

Und für Atelier PMP ist die Antwort klar: Graffiti, die verschiedenen Formen der Streetart, Urban Gardening … Die vielen kreativen Formen mit gegebenen Räumen umzugehen. Im wörtlichen Sinn outside the box zu denken.

„Ein knallfrisches Gegenkonzept zur Tristesse“ war also die Aufgabe für Star-Parfümeur Mark Buxton, der sonst für Häuser wie Comme des Garçons Fragrances, Givenchy oder Cartier arbeitet. Ein Duft, der mit der Wucht der Graffitis daherkommt, der kurz auch von Beton und Lackfarbe erzählt, aber vor allem von der Schönheit und Pracht der Natur – ein Duft der freien Welt.

Atelier PMP Concrete FlowerAus Ingwer, Bergamotte, Mandarine, Schwarzem Pfeffer, Thymian, Salbei, Kardamom, Neroli, Jasmin, Iris, Nelke, Lilie, Styraxharz, Sandelholz, Zedernholz, Eichenmoos, Ambra und Moschus erschafft Mark Buxton das olfaktorische Gegenstück zum kunterbunten Wandbild.

Und wenig überraschend startet Concrete Flower auch zitrisch-frisch mit herben Hesperidennoten und der subtilen Schärfe von Ingwer und Pfeffer. Helle grüne Kräuter kommen hinzu und verleihen dem Duft einen asiatischen luftig-leichten Touch. Concrete Flower leuchtet hell, ist frisch, kühl und transparent. Zarte Blütennoten stoßen zum Zitrusfrucht-Kräuter-Duo, verleihen Concrete Flower Tiefe und Intensität. Der schwarze Pfeffer erlebt ein Comeback und unterstreicht das floral-zitrisch-grüne Duftensemble. Nach und nach wird Concrete Flower herber, bleibt aber auf der asiatisch zurückhaltenden Schiene. Holzige Noten gewinnen mehr und mehr die Oberhand. Concrete Flower ist ein ruhiger, in sich ruhender Duft. Entspannt und erfrischend sorgt er für gute Stimmung. Freunde von asiatisch angehauchten Eau-de-Cologne-ähnlichen Düften werden hieran ihre Freude haben. 🙂

Abschließend möchte ich noch kurz die Flakons bzw. deren Deckel erwähnen. Klare Kanten und Formen sind hier angesagt. Moderner Minimalismus par excellence. Jeden Flakon kennzeichnet ein Deckel, der perfekt zum Parfum passt. Der Rauchduft Dreckig bleiben besitzt einen schwarzen Holzdeckel, der aussieht als wäre er beim letzten Lagerfeuer übrig geblieben. Anti Anti besitzt einen Deckel aus Marmor und unterstreicht damit seine moderne und skulpturale Eleganz. Concrete Flower trägt einen Betondeckel, die Basis für so manches Graffitikunstwerk.

Wie gefallen Euch die drei Düfte von Atelier PMP?

Liebe Grüße,
Steffi 🙂

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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