Maison Martin Margiela – der (vorerst) letzte Teil …

…der Rezensionsreihe folgt heute und morgen, und zwar mit Tea Escape, At the Barber’s, By the Fireplace und Lazy Sunday Morning, den ich Euch eigentlich schon länger versprochen hatte. Ich war allerdings an diesem eben nicht „lazy“, sondern knietief in den Vorbereitungen für die Mailänder Esxence, deren Berichterstattungen uns in letzter Zeit erst einmal beschäftigt haben. Die obligatorische Angina hatte mich auch mal wieder erwischt, jetzt sind wir dann aber wieder bei Margiela gelandet. Ich bin schon sehr gespannt, hatten mir die anderen Düfte doch zum Teil wirklich sehr gut gefallen.  Deshalb war mir ein schlechtes Gewissen nun eine ganze Zeit hold – ich hatte die Kollektion vorher nämlich nicht komplett getestet, dabei sind einige der Düfte nun doch schon eine ganze Zeit auf dem Markt. Aber gut – wir holen es jetzt nach, meine Lieben!

Tea Escape, die „Teeflucht“, Flucht in die Teestunde?

„The city bustles, noisy and frenetic. At the heart of this chaos lies a silent alcove: the light silk of a blouse, tatami mats, a veil of steam, the clinking of a Japanese tea service.“

Oh ja, da bin ich sofort dabei: Japanische Teezeremonie, nicht englische Teestunde, sehr fein! Eine Oase in der Hektik des Alltags, Tradition, erlesener Tee mit feinen Geschmacksnuancen … ich bin dabei. Auch olfaktorisch? Das werden wir gleich sehen, allerdings möchte ich Euch an dieser Stelle zuallererst eine Buchempfehlung geben – Kakuzo Okakura, Das Buch vom Tee. Klassiker, alt, aber immer noch aktuell und wunderschön.

Die Ingredienzen der Margielaschen Teestunde: Bergamotte, Pfefferminze, Rosa Pfeffer, Jasmin, Osmanthus, Grüner Tee, Maté-Tee, Reis, Milchakkord.

Tea Escape ist ein dahingehauchtes Etwas, ein sachter olfaktorischer Pinselhauch, der zu Beginn transparenter wirkt, als er schlussendlich bleibt. Minze und herb-zitrische Bergamotte stellen selbstredend die Begrüßungsfront, die ausgelassen meine Nase erobert. Hernach dringt eine Süße durch, eine feine, milchige, mit Anklängen von Reis sowie einer pudrig-zuckrigen Nuance, Osmanthus lässt seinen pfirsichhaften Charme spielen und leitet über auf die Protagonisten des Duftes, den Tee, vielmehr: die verschiedenen Arten des Tees. Subtile Rauchnoten umwehen mein Näschen, allerdings zu dezent, um wirklich präsent zu sein, als auch Grüntee mit Jasmin, weichen, sanften Jasminblüten.

Tea Escape ist ein zartes Pflänzchen, kein Kracher – ein Duftaquarell, das manchem, der es gerne heftig mag, vielleicht „zu wenig“ sein mag, aber diejenigen, die Dezentes zu schätzen wissen, sicherlich erfreuen wird. Erst recht, wenn man, na was wohl, Tee(noten) mag 😉

At the Barber’s – da hat sich das Haus Martin Margiela einem echten Hipster-Thema angenommen: Der Barbershop, des neuen Hipsters aka Lumbersexuals Wellnesstempel. Barbershops sprießen in den letzten Jahren in allen größeren Städten aus dem Boden und, man hätte es früher nicht geglaubt, aber – sie erfreuen sich einer großen Nachfrage sowie eines begeisterten Kundenstamms. Der Mann von heute trägt (oft) Bart – und lässt sich diesen gerne unter Gleichgesinnten hegen. Die Zeiten des 10€-Friseurs am Bahnhof sind scheinbar vorbei, auch Männer wissen ein angenehmes Ambiente und ein wenig Pflege zu schätzen, gut so!

„The creaking of a sign swaying in the breeze, a shaving brush sliding through soapsuds, the dry friction of a straight razor against a leather strap, the soft rustling of a white towel evoking a vintage masculine ritual.“

Die Ingredienzen: Bitterorange, Basilikum, Schwarzer Pfeffer, Geranium, Lavendel, Rosmarin, Tonkabohne, Evernyl und Weißer Moschus.

Auf den ersten „Metern“ denke ich mir … nein … ein bisschen weniger Aventus-ähnliche Frische, nicht schon wieder ein sporty Duft und bitte keine aquatischen Anleihen … und werde dennoch bald überrascht, da der erste Eindruck ein flüchtiger ist, mich ehrlicherweise auch irgendwie fehlgeleitet hat, und andere Noten die Bühne betreten: Subtile Hölzer, die mich an das Interieur eines wertigen Barbershops, eines ganz nostalgisch eingerichteten, erinnern. Seife, gute Seife, die in dicken weißen Flocken Bart, Pinsel und Waschbecken ziert. Die Seife ist natürlich beduftet, ich nehme Rosmarin wahr, pfefferminziges Geranium und Hesperidensprenkler, eine Prise Pfefferschärfe, die vielleicht das Rasiermesser, das gekonnt eingesetzte, nachahmt und das Maskuline des Ambientes betont und einen Hauch Leder, der sowieso Pflicht ist. Und da ist noch Moos, Eichenmoos, ein Eindruck, der von dem Evernyl kreiert wird (Eichenmoos darf nicht mehr wirklich eingesetzt werden aufgrund der IFRA-Reglementierungen ergo des davon ausgehenden allergenen Potentials). Unser Moos hier verstärkt die männlichen Facetten des Duftes, der zwar kein Macho ist, sondern eine sehr moderne, zeitgemäße Interpretation eines Herrenduftes, dennoch … an einer Frau sehe ich At the Barber’s nicht wirklich. Macht aber nichts, uns bleiben in der Kollektion von Maison Martin Margiela ja genügend andere Düfte übrig, die wir tragen können, meine Lieben!

Einen guten Start ins Wochenende und viele liebe Grüße,

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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