Schon lange hatte ich keinen Duft mehr von État Libre d’Orange unter der Nase, was ich heute schleunigst ändern werde. „The Afternoon of a Faun“ lautet eine der neueren Kreationen des für seine provokanten Namensgebungen bekannten Hauses.
Ein durchaus bedeutsamer Titel! „L’Après-midi d’un faune“ war zuerst einmal der Titel eines symbolistischen Gedichts des bekannten französischen Dichters Stéphane Mallarmé. Ein Faun erwacht am Nachmittag aus seinem Schlaf und berichtet von seinen morgendlichen Erlebnissen – waren sie Traum oder Wirklichkeit? Die Verfolgung zweier Nymphen und deren Entführung auf eine Lichtung… muss er sein Verlangen bereuen? Am Ende steht die Rückkehr ins Reich der Träume.
Mallarmés Gedicht regte den Komponisten Claude Debussy 1894 zu dessen „Prélude à l’après-midi d’un faune“ für Orchester an. Dieses Stück wiederum inspirierte den weltberühmten Baletttänzer und Choreographen Vaslav Nijinsky zu einer eigenen Choreographie „L’Après-midi d’un faune“, die er 1912 zusammen mit den Ballets Russes aufführte. Ein handfester Skandal war sogleich geboren. Der gute Faun – von Nijinsky selbst getanzt – stellt in der Choreographie den Nymphen nach, diese flüchten und verlieren dabei einen Schleier. Mangels handfester Nymphen vergnügt sich der Faun daraufhin auf recht unmissverständliche Weise mit dem Schleier.
Beim Aufsprühen auf den Teststreifen kamen mir leicht florale Strohblumennoten entgegen, die mich durch ihre Würzigkeit an The Different Companys Sel de Vetiver denken ließen. Wieder einmal ein Kandidat, der unbedingt auf die Haut muss. So ist es. Zitrisch-pfeffrige Anklänge zu Beginn gehen in ein vollwürziges Herz über. Man meint, der Pfeffer werde durch Zimtschärfe und die Harzigkeit des Weihrauchs verstärkt, aber auch die Immortelle tut ihr Übriges und wird von Rosen- und Jasminnoten lediglich behutsam akzentuiert. Harzig, holzig und etwas milder wird die Komposition in der Basisnote, wobei die Duftentwicklung nach den Herznoten keine wirklich neuen Seiten mehr gewinnt und eher der schon zuvor auftretende Eindruck ausklingt.
Die Duftnoten
Kopfnote: Bergamotte, Pfeffer
Herznote: Zimt, Weihrauch, Rose, Immortelle (Italienische Strohblume), Jasmin
Basisnote: Iris, Myrrhe, Moos, Leder, Benzoeharz
Nehmen wir die krautigen Noten, die man als urwüchsiges Naturelement wie einen Faun deuten könnte, und die flüchtigen floralen Aspekte, die schreckhaft wie die Nymphen enteilen, dann haben wir schon die wesentlichen Bestandteile der Szenerie zusammen. Da nun aber der Faun in dieser Geschichte im Mittelpunkt steht, wurde er entsprechend prominent auch im Duft eingesetzt. Ein klarer Fall von Unisexduft. Würzig-krautig mit floralen durchscheinenden Noten und trotzdem irgendwie auch entspannt und kontemplativ, wie ein Faun, der tagträumend-schlummernd schon bald wieder ins Reich der feuchten Träume entschlummert.
Ganz viele gehörnte Grüße
Harmen
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