Rundholz…

heißt die deutsche Antwort auf die Antwerpener Sechs und Japans Avantgarde um Yamamoto, Kawakubo, Watanabe und Miyake. In den 80ern könnte man die Anfänge jene Mode-Avantgarde verorten, die berühmt-berüchtigten Belgier und Japaner. Gegen den Strom schwammen und schwimmen sie alle, die Geistvollen, deren Mode vielmehr Design als Kleidung ist. Verkopft, mutig, extrem, intellektuell, kontrovers diskutiert, ausgefallen – es handelt sich dabei meist um verstofflichte Philosophie, um geisteswissenschaftliche Theorien, soziale Studien und gerne auch Gesellschaftskritik in Form von, mal mehr, mal weniger Tragbarem. Kleidung, die zu verwandeln vermag – ihren Träger. Und ihn manchmal auch erst zu sich kommen lässt. So sagte beispielsweise Wenders in seiner Dokumentation „Yamamoto – Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten“ über die Mode von Yohji Yamamoto, dass diese ihn erst zu dem gemacht hätten, was er ist. Er sei er selbst in dieser Kleidung. Yamamoto war natürlich mal verheiratet mit Rei Kawakubo, einer genauso Großen, nämlich der Frau hinter Comme des Garçons, jener „Hohepriesterin der Avantgarde“. Und einer seiner Schüler ist uns auch bekannt, der mittlerweile sein eigenes Label hat – der Italiener Ennio Capasa, der Mann hinter Costume National.

Jene Mode-Avantgarde ist ein spezielles und sehr interessantes Thema – das Haus Margiela, gegründet von Martin Margiela, der es vor ein paar Jahren an Diesel verkaufte, gehört natürlich auch dazu, soeben bei H&M in der Designer-Kooperation mit alten Entwürfen erhältlich gewesen (die leider, man kann es nicht anders sagen, furchtbar gefloppt zu haben scheinen – vermutlich aus der einfachen Begründung, dass es weder verständlich noch gefällig genug war für den Durchschnittskunden).

Rundholz in jedem Falle sehen sich ganz klar inspiriert durch diesen Stil – und ziehen diese Richtung schon immer konsequent durch. 1993 kam die erste Kollektion von Lenka und Carsten Rundholz auf den Markt und begeistert seitdem Kunden mit einem Hang zu zeitloser Eleganz, Kunst und Design. Ich denke, stilistisch gehört das Label im deutschsprachigen Raum sicherlich zu den Vorreitern jener Mode – und hat durchaus seine eigene, kreativ-markante Handschrift. Ich in jedem Fall bin immer wieder begeistert von den Sachen, zumal hier die Verarbeitung auch exzellent ist und die Stoffe handverlesen. Was passt zu einem solchen Unternehmen besser als ein eigener Duft?

Another temple shot

Über sieben Jahre war es wohl Lenka Rundholz‘ Traum, einen solchen für ihr Unternehmen zu haben. Einen Signature-Duft, der den Geist des Labels einfängt und der Persönlichkeit seines Trägers Ausdruck verleiht. Der berauschende Geruch des Weihrauchs war es, der die Designerin inspirierte. Kennt Ihr das Aroma, wenn der griechische Pope durch die Reihen der Gläubigen schreitet und das rauchende Weihrauchgefäß schwenkt? Oder bei der traditionellen indischen Ayurveda-Behandlung ein herber Duft den Raum erfüllt? Das waren die Inspirationsquellen von Lenka und Carsten Rundholz. Jene außergewöhnliche Exotik des kostbaren Weihrauchs war es, die sie dazu verleitete, ihn als wichtigsten Bestandteil für ihr Parfum zu bestimmen. Geheimnisvoll sollte der Duft sein, vielschichtig, Kreativität ausstrahlend und von Träumen erzählend. Um diese Vision umzusetzen holte sich das Ehepaar Rundholz Arturetto Landi an Bord, seines Zeichens ein alter Bekannter: Für Biehl Parfumkunstwerke war er tätig als auch für Diesel, bei Torre of Tuscany war er am Werk genauso wie für Profumi del Forte.

Harmen hat den Entstehungsprozess, der im Pressematerial geschildert ist, sehr schön für unseren Shop aufbereitet:

„Landi verwendete Weihrauch als Basisgeruch, das vanillig riechende Heliotrop, das auch Schmetterlinge anzieht und in Lenkas Garten zu finden ist, als Herznote und als Kopfnote die fruchtig duftende, aus China stammende Litschi. „Ein prägnanter Geruch, der viel Charakter hat und Identität“, erklärt Arturetto Landi, „ein Duft für außergewöhnliche Menschen.“ Zwei Jahre lang dauerte die gemeinsame Entwicklungsarbeit. Duftproben flogen hin und her wie kleine parfümierte Briefchen. Ein Dufthersteller im französischen Grasse trug die Ingredienzien zusammen und Landis Nase komponierte. Fast ein Jahr lang testete Lenka Rundholz das Parfum. „Es erweckte Aufsehen und verfehlte nie die Wirkung“, beschreibt die Designerin. Das Aroma haftet wie ein Fellini-Film: ein Rausch aus Bildern, surreal, poetisch, rätselhaft. Ein Parfum, das nicht alles offenbart und geheimnisvoll bleibt. So wie die Zahlen, die für seinen Namen stehen: 03. Apr. 1968. Mysteriös ist auch die Verpackung – tiefschwarz wie der Federkasten des Kalligraphen. „Ein Parfum, das wirklich anders ist“, sagt Fachmann Arturetto Landi, „ein Duft, den man selten findet, der einen mit auf Reisen nimmt. In den Orient oder das Herz seiner Erfinder.““

Ganz so mysteriös ist die Ziffer oder vielmehr das Datum jetzt mal nicht, nach dem der Duft benannt ist – es handelt sich dabei um den Geburtstag von Lenka Rundholz. Der Duft aber, dem wohnt in der Tat etwas Fremdartiges inne – zu besonders ist auch die Kombination der Ingredienzen…

Offerings...

3. April 1968 ist – ganz unverkennbar ein Weihrauchduft, und zwar einer für Fortgeschrittene. Staubtrocken, harzig-aromatisch und warm zeigt sich ihre Majestät, stolz, überragend, präsent und… voller Klarheit. Kontemplativ wirkt er, der Duft. Und beschützt, beruhigt. Ist Rückgrat und Charakter zugleich. Wir haben es hier betreffs der Weihrauchintensität mit einem schweren Kaliber zu tun – und das erinnert mich nicht zu knapp an einen Duft, der schon viel zu lange nicht mehr erhältlich ist: An Norma Kamalis göttlichen Incense, jenen FSK18-Weihrauch, jenem vollmundigen, dem ich schon so lange hinterhertrauere. Einzig Jovoys La Liturgie des Heures konnte mich ein wenig über den Verlust hinwegtrösten, bisher – nun könnte der 3. April 1968 in diese Fußstapfen treten. Und dabei hat er noch viel mehr zu bieten: Heliotrop suggeriert Anklänge von Vanille und erschafft, zumindest auf meiner Haut, einen Pinselstrich Marzipan, der den Rand des olfaktorischen Gemäldes versüßt. Dann ist da noch eine prächtige Frucht, die Litschi – seltsam frisch zeigt sie sich am Anfang und verfängt einen dann immer mehr in ihrem Bann, likörig-schwer werden und betörend. Ein sehr schöner Dreiklang, der meiner Meinung nach ziemlich perfekt das Bild der geheimnisvollen Frau wiedergibt, jenem Mysterium des Weiblichen, das doch immerzu lockt…

Ich persönlich finde die Symbolik auch sehr schön: Derlei Früchte werden an buddhistischen Tempeln nebst Räucherwaren und somit auch und vor allem Weihrauch oft als kleines Gottesgeschenk erbracht. Der Weihrauch steht für die die Tugend, für moralaffines Verhalten, während verschiedene Früchte als Symbol für Erleuchtung gelten. Wenn das kein gutes Omen ist für einen Duft?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Waltraud Seemann
    9. Januar 2013
    Antworten

    Ja, ein interessanter Duft, Norma Camalis Incense habe ich schon getestet, auch staubtrocken.
    Aber ich möchte zu etwas anderm etwas sagen. Es geht um das Gewinnspiel. Nein, nichts dazu. Aber es wird immer geschrieben: Die Facebook-Abstinenzler können…Ich habe Facebook probiert und für mich ist es einfach Spielkram. Es wird suggeriert, dass man ganz viele tolle Freunde kennen lernt. Aber das stimmt einfach nicht. Wenn einen Leute interessieren und man Kontakt haben möchte, dann reagieren die nicht. Stattdessen bekam ich z. B. unentwegt meine Schüler aus meinen Zeiten als Sozialarbeiterin an einer Schule vorgeblendet, das war schon 5 Jahre her und ich wohnte schon damals 5 Jahre 500 km von meinem früheren Wohnort entfernt und das, obwohl ich mit einen Pseudonym dort agierte. Also das gibt einem doch zu denken. Und sonst bekam ich auch nur von dort Bekannte vorgeschlagen die ich auch sonst kontaktieren kann. Und welche, mit denen ich nichts mehr zu tun haben will. Alle meine Versuche an Leute, die ich gerne mal wieder kontaktiert hätte, liefen ins Leere, auch wenn ich mich zu erkennen gab. Also dazu brauche ich kein Facebook. Wo blieben die tollen Leute aus aller Welt? Ich habe mir zu Themen Leute rausgesucht: Nicht einer hat geantwortet. Also war ich sagen will: Man kontaktet auch wieder nur mit den Leuten, die man auch sonst kontaktet. Ich finde, das Facebook nur für BlaBla gut ist. Und sie haben sich in alles reingeschlichen, keine Seite und kein Forum mehr, wo die nicht auch drin hängen. Ich finde Facebook und andere Plattformen total enttäuschend. Da bin ich dann lieber in Parfumo oder hier. Da sind Menschen die die gleichen Interessen haben wie ich und dort lerne ich auch Leute aus aller Welt kennen, so weit man das überhaupt übers Internet kann. Das ist wie früher im Zug fahren: Man hat mit allen kommuniziert, tolle Gespräche geführt und wenn die Fahrt zu Ende war ist man ausgestiegen und das war es, aber man hatte sich sehr gut unterhalten. Jetzt ist es langweilig im Zug, weil alle entweder Stöpsel und Musik im Ohr haben oder eben vor ihren Tabletts und Laps sitzen und wie die Autisten nichts mehr mit anderen reden. Weil sie ja ihre Kontakte über Facebook bedienen, die realen Menschen stören da eher und es wird sich beschwert, wenn man sich wirklich mal mit jemand unterhält. Es kann doch auch nicht Bedingung sein, dass man alles nur noch über Facebook machen muss und nicht mehr direkt. Das wäre ja schrecklich. Und immerzu die Meldungen, dass jemand von einem anderen Server meinen Account versucht hätte zu entern…ich höre auf mit den Störungen jeder Art.
    Ich hoffe, dass Ihr nicht eines Tages die Bedingung stellt, dass man in Zukunft nur noch an solchen Gewinnspielen teilnehmen kann, wenn man da einen offenen Account hat.
    Einstweilen: Herzliche Grüße. Waltraud

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