Jovoy Paris die Dritte.

Zwei Düfte sind es noch von der Firma Jovoy Paris, die (m)einer Rezension harren – damit möchte ich heute dann meine Serie beschließen. Übrig geblieben sind La Liturgie des Heures sowie L’Arbre de la Connaissance.

Gewichtige Titel, das wird auch demjenigen nicht verborgen bleiben, der kein Französisch spricht.

Die Liturgie des Heures ist das Stundengebet oder auch Tagzeitengebet, eine christliche Bet-Tradition, die in allen dazugehörigen Kirchen gepflegt wird.

Der Duft ist ebenfalls von Jacques Flori, wie gestern schon Enfant Terrible. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass Flori einen sakralen Fetisch zu haben scheint – oder vielleicht auch nur einen christlichen Background, vielleicht als Messdiener? In jedem Fall entstammt der wunderschöne Weihrauchklassiker Messe de Minuit, die Mitternachtsmesse aus dem Hause Etro, seinen Händen. Und wenn ich Euch jetzt verrate, dass natürlich auch die Liturgie Weihrauch enthält, dann werden die Liebhaber jener Ingredienz vermutlich schon ganz zittrige Knie bekommen…

Vollkommen zu recht, meine Lieben! La Liturgie des Heures ist ein echter Weihrauchkracher und könnte sogar mich wieder in den Schoß der Kirche treiben, was wirklich etwas heißen mag: Vorbild war natürlich eine alte Kirche, was sonst, und verwendet hat Flori frisch-grüne Noten, Zypresse, verschiedene Weihrauchsorten, Labdanum, Myrrhe und Moschus.

Schon als ich die Liturgie auf meiner Haut spüre, wallt mir eine voluminöse Wolke ehrfurchtgebietendem Weihrauch entgegen und ich muss sofort an einen Duft denken, den ich schmerzlich vermisse: Norma Kamalis Incense. Über ihn hatte ich einmal Folgendes auf einem Parfumboard geschrieben:

„Das ist sie, die kontemplative FSK18-Variante eines Weihrauch-Duftes: Trocken, tiefdunkel-holzig, subtil harzig und rauchig, eigentlich vielmehr – schwelend. Weihrauchglut. Mehr Weihrauch geht nicht. Authentischer, schöner und erhabener erlebt man auch nicht oft. Ein perfekter und leider völlig unterschätzter Duft.“

Leider existiert Kamalis Incense nicht mehr, er wird nicht mehr produziert und mir bleibt nur noch ein mageres Restchen, das ich für Euch anlässlich eines Vergleichs vorgekramt habe. Für Kamalis Weihrauch fanden sich als Ingredienzen nur Weihrauch und Myrrhe – und in der Tat, er ist trockener und auch süßer, mit einem erdig-metallischen Unterton. Diese Süße geht der Liturgie etwas ab, hier findet sich eine Kühle, einen Tick weniger warme Süße, der mehr Frische innewohnt – an den kühlen Hauch erinnernd, der einen in einer alten Kathedrale gerne umweht.

Hier trennen sich die Wege mit Kamalis Incense etwas – allerdings geht es auch nicht weiter in Richtung Etrosche Mitternachtsmesse. Diese scheint Flori deutlich hinter sich gelassen zu haben, was mir Bewunderung abnötigt: Messe de Minuit ist vollkommen anders, ist kaltes und vor allem auch feuchtes Kirchengemäuer – woher sie kommt, diese Feuchtigkeit? Ich vermute von den Hesperiden im Kopf, die aber in der Liturgie gänzlich fehlen. Diese tendiert eher in Richtung von Parfum d’Empires Wazamba und Lutens‘ Fille en Aiguilles, die beide ungefähr gleichzeitig herauskamen und die mir auch gefielen, an denen ich aber nichtsdestotrotz jeweils etwas zu bemängeln hatte: Für meinen Hausgebrauch störte mich in Wazamba der Apfel und in Lutens Mädchen die Noten von Trockenfrüchten. Beides hat die Liturgie nicht, die sich mönchisch-karg auf ihre Zypresse beschränkt (die im übrigen auch Wazamba innewohnt). Und somit ein wunderbarer Kaufkandidat für mich ist, mit dem ich einige Schnippchen gleichzeitig schlagen kann.

L’Arbre de la Connaissance, der Baum der Erkenntnis. Für Buddha war es wohl ein Feigenbaum, wie Hénin erzählt – ganz klar, dass hier also eine Feige zu finden ist. Die Erkenntnis, meine Lieben, ist hier noch ganz frisch: Eine leuchtend-grüne Feige haben wir hier, strahlend, fruchtig, säuerlich, inmitten von frischem Blattgrün, in allen erdenklichen Grünnuancen schillernd und von Grashalmen sanft umrankt. Geerdet wird das Gewächs von ein wenig Patchouli und süß-holzigem Sandel.

Woran es mich erinnert? An eine äußerst adrette Mischung aus Six Scents Series 1, No. 3 – The Spirit of Wood und Parfumerie Générales Jardin de Kerylos mit einer Prise des mediterranen Garten von Hermès.

Und damit kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass mir die neuen Jovoys richtig gut gefallen und ich sie Euch als Testempfehlung nur ans Herz legen kann! Sie haben mit den alten Düften der Kollektion gar nichts gemein und sind allesamt sehr charakteristisch. Für mich sind sogar ein bis zwei Kaufkandidaten dabei.

Und für Euch? Habt Ihr schon getestet? Berichtet mal, ich bin gespannt!

Ein schönes Wochenende und liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Cathédrale de Strasbourg von Stephane Martin, William Blake (1808): The Temptation and Fall of Eve – illustration to Milton’s Paradise Lost, Fig Tree von Toledo/Chris Shaheen, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie Jovoy Paris in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Katharina W.
    19. Dezember 2011
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    du hast die bemerkenswerte Gabe, in einem auch das Interesse für Düfte und Duftnoten zu wecken, die man vorher kategorisch für sich ausgeschlossen hätte.
    Weihrauch. Hm.
    Die einzige Stimmung, die mir sonst dazu einfällt, ist die, die mein Vater gern die „Tod-Absterbens-Amen-Stimmung“ nennt. Friedhof, eine morbide Gruft und die im Katholizismus weit verbreitete Leichenfledderei kommt mir da in den Sinn. Jedenfalls sicher kein Mädchen auf Stöckelschuhen. Auch kein Weihnachten und keine Rentiere, die viele erklärtermaßen mit Weihrauch assoziieren.
    In einem Parfumboard 😉 schrieb ich seinerzeit zu Lutens Weihrauch-Tannenduft-Interpretation:
    „Ach was Weihnachten und Rentiere. Riecht eher nach ‚der Pfarrer segnet das Unterholz aus‘.“
    Genau so riecht er, finde ich. Eigentlich mag ich Weihrauch-Düfte gar nicht.

    … aber als ich nun deine Beschreibung von La Liturgie des Heures gelesen habe… die schwelende Weihrauchglut, das dunkle Holz… da fiel mir sofort die Ostermesse ein, der ich im letzten Jahr beigewohnt habe: Die Weihe eines Altars, die damit beschlossen wurde, daß Weihrauch, Wachs und Chrisam an fünf Stellen (die symbolischen fünf Wundmale) um den Brunnen im Feuer verbrannt wurden.
    Ich glaube, kein Duft dieser Welt hätte die Stimmung dieser Feier besser begleiten können als der, ja, ehrfürchtg riechende Weihrauch.
    Danke dafür, daß du mir dieses Erlebnis wieder in Erinnerung gerufen hast.
    Ich glaube, wenn es eine Duftnote gibt, die definitiv nur von sehr charakterstarken Personen getragen werden sollte, dann ist es Weihrauch.

    Liebe Grüße
    Katharina

  2. Avatar photo
    Ulrike
    19. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo liebe Katharina,

    herzlichen Dank für die virtuellen Blumen 😉 Ich glaube, Du solltest nochmal ein paar dieser assoziativen Kirchenweihrauchdüfte testen meine Liebe! Da gibt es einige so schöne und ich finde gerade Messe de Minuit und jetzt, für mich noch schöner, der neue Jovoy sind solche Trutzburgen. Für mich strahlt das eine solche Geborgenheit aus, etwas Majestätisches, Ruhiges, Beruhigendes – und dabei bin ich kein Katholik 😉

    Aber, ja, Weihrauch kann und mag nicht jeder tragen. Und es ist sicher in dieser Ausprägung nichts für jeden Tag. Muss es ja aber auch nicht sein. Ich mag derlei Bilder und derlei bildgewaltige Düfte, die diese evozieren, immer nicht überstrapazieren sondern mir bewahren. Für ab und an, für besondere Momente, Lebenssituationen, Zeiten.

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

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