Mona di Orios Vorliebe…

für den goldenen Schnitt hatten wir ja bereits vor nicht allzu langer Zeit kennengelernt – im April diesen Jahres berichtete ich über die Einführung ihrer neuen Kollektion Les Nombres d’Or:

Der goldene Schnitt… oder auch die Göttliche Teilung stellt ein bestimmtes Strecken-/Größenverhältnis dar, welches ideale Proportionen vorweist und insofern seit der griechischen Antike als Inbegriff von Ästhetik und Harmonie und somit auch Schönheit gesehen wird. Der Goldene Schnitt wird nicht nur in der Kunst, der Architektur, der Malerei, der Photographie usw. angewendet, er kommt auch in der Natur selbst vor. Und war, wie ich bereits letztes Jahr berichtete, die Inspiration für Mona di Orios neue Duftkollektion Les Nombres d’Or. Nach eigenem Bekunden half der Goldene Schnitt ihr, Schönheit zu verstehen, eine diesbezügliche Perspektive zu finden.

Ambre, Musc und Cuir (Leder) machten den Anfang jener Kollektion, die Madame di Orio nun flugs um (gleich) drei weitere Düfte ergänzt hat: Vétyver, Vanille und Tubéreuse. Nachdem mich das erste Trio bereits positiv zu überraschen wusste habe ich mich für Euch umgehend ins Getümmel gestürzt und getestet…

Vétyver war mein erster Testkandidat und wird das Herz eines jeden Freunds dieses Grases sicher höher schlagen lassen: Hier sehen sich alle Facetten des wunderbaren Vetivers vereinigt – bittere Herbheit, grüne Grasigkeit, verhaltene Rauchigkeit, eine gewisse, an Minze gemahnende Frische, krautige Trockenheit. Perfekt gewählt erscheinen die Zutaten, welche die verschiedenen Seiten des Vetivers zum Strahlen bringen: Ingwer stiftet frisch-herbe Fruchtigkeit und unterstreicht die Trockenheit, Grapefruit spendet salzige sowie zitrisch-säuerliche Anklänge, Muskat würzt pfeffrig akzentuierend und Muskatellersalbei verleiht einen subtil-floralen Anstrich.

Je länger ich den Duft auf der Haut habe, desto mehr Verwandte fallen mir ein – und die sind wirklich alle blauen Blutes: Chanels Sycomore, The Different Companys Sél de Vetiver sowie Malles Vetiver Extraordinaire. Und eine Prise des göttlichen Route du Vétiver von Maître Parfumeur et Gantier. Allerdings – der alten Variante, meines Erachtens nach hat sich der Duft nämlich verändert die letzten Jahre, sachter ist er geworden, gefälliger, leider. Aber zurück zu Mona di Orios Vétyver: Ich als Vetiver-Fan bekomme natürlich nie genug und habe die Nase noch lange nicht voll von dieser herrlichen Zutat. Und könnte mir durchaus vorstellen, dass dies hier Vetiver-Duft XY in meinem Repertoire werden könnte.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Ingwer, Grapefruit; Herznote: Muskatnuss, Muskatellersalbei, Labdanum (Zistrose); Basisnote: Vetiver, Tonkabohne, Moschus, Patchouli, Virginia-Zedernholz.

Vanille nun wiederum gehört nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Ingredienzen, obgleich es einige vanillezentrierte Düfte gibt, die auch mich für sich einzunehmen vermochten – wen es interessiert, es waren oder vielmehr sind: Annick Goutals Vanille Exquise, Diptyques Eau Duelle und Bois 1920 La Vaniglia. Wenn wir im übrigen gerade bei Bois 1920 sind: Bois 1920 sowie Odori gehen sehr zu meinem Bedauern vom Markt, die Produktion wurde bereits eingestellt. Wer noch einen Duft braucht sollte sich jetzt schnellstmöglich eindecken, bald gibt es sie nicht mehr.

Die Inspiration zu Vanille liest sich ähnlich wie die zu Lubins Idole: Gewürzstraße, ein altes Schiff, das gen Madagaskar unterwegs ist oder irgendwo anders dort herumschippert und kostbare Ladung in seinem Bauche trägt – Rumfässer, Orangen, Vanilleschoten, Ylang-Ylang, Gewürze, Sandelholz und dergleichen.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Rum, Bitterorange, Nelke; Herznote: Vanille, Guajakholz, Ylang-Ylang, Tolubalsam, Petitgrain; Basisnote: Vetiver, Sandelholz, Tonkabohne, Leder, Moschus, Ambra.

Vanille wird als Gourmand beschrieben – und letztendlich ist der Duft das auch, irgendwie. Aber nicht das, was sich Zuckerschnuten und Süßmäuler normalerweise darunter vorstellen – uns erwartet hier weder keksige Fröhlichkeit noch ausgelassene Milchspeiseheiterkeit. Den Auftakt übernehmen wie bei der Weihnachtsbäckerei Bitterorangenschalen, die sich alsbald in einer Rumbowle wiederfinden. Gewürznelke satt, pfeffrig-scharf und trocken, später in ambrierter Gesellschaft, während Vanille und Tonkabohne sanft wärmend die Zeit versüßen. Hölzer und Vetiver zeichnen einen Hintergrund von rauchiger Holzigkeit, ich kann die vielen verschiedenen Fässer im Rumpf des Schiffes richtig riechen… die im übrigen auf einem opulenten, würzig-warmen Vanillebett lagern. Diese wird nämlich immer präsenter im Laufe der Zeit. Und verharrt bis zum Ende in inniger Umarmung mit einem Lederchen, welches meiner Ansicht nach von einer Weihrauchaura umweht wird.

Ein Abenteuerduft in bester Tradition eines sehr trockenen Gewürzorientalen. Müsste ich eine grobe Richtung benennen würde ich erinnern an Malles Noir Épices, Sinfonia di Notes Poudre d’Épices und Washington Tremletts Clove Absolute, vielleicht auch Villoresis Garofano. Eine Prise Micallefs Gaïac dazu und einmal von Herrn Lutens umgerührt – fertig. Und sehr sehr nett. Durchaus in der Tradition jener von mir oben genannten eher unkonventionellen Erwachsenen-Vanille-Variationen, was mich meine Vanilleliste nun um einen weiteren Duft erweitern lässt.

Tubéreuse ist der dritte Duft im Bunde. Von der Parfumeurin „Tuberose der Dämmerung“ getauft soll sie eine grünere und frischere Tuberoseninterpretation darstellen und ist in der Tat ein sehr zivilisierter Weißblüher: Zitrische Herbheit der Bergamotte von Pfeffer kokett kontrastiert, dezente, leise aufblitzende grün-minzige Anklänge. Im Herzen von cremig-weicher, vanillig-mandelig kredenzter Tuberose geprägt, die durch Kokosnuss süß-würzige Akzente erfährt. Die Basis vertieft die vorherrschende Weiche und Wärme.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Rosa Pfeffer; Herznote: Tuberose, Heliotrop, Kokosnuss; Basisnote: Benzoeharz, Moschus.

Eine schöne und absolut tragbare (!) Tuberoseninterpretation, mit der sich sicher sowohl Freunde als auch Feinde dieses Weißblühers anfreunden können.

Im übrigen an dieser Stelle Kompliment an Madame di Orio – mir imponiert diese ihre neue Kollektion. Vielleicht sollte ich mir ihre früheren Kreationen doch nochmals näher anschauen…

Grübelnde Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquellen: Pirate Ship von tap78/Tomasz A. Poszwa, Tuberose von Aruna, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie die Les Nombres d’Or-Kollektion in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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