Lubins Bluff…

ist der vierte und letzte im Bunde jener Variationen, die das Haus zu seinen beiden Klassikern Vetiver und L’Eau Neuve dieses Jahr lancierte. L’Eau Neuve erfuhr seine Hommage durch Inédite und den gestern rezensierten Figaro, Vetiver wird von Itasca und dem heutigen Bluff Tribut gezollt.

Die Idee ist toll und die Düfte sind mitnichten bloße lauwarme Abklatsche oder sich wiederholend Altbekanntes, ganz im Gegenteil: Alle vier sind sehr eigenständig und zum Teil auch sehr innovativ, darüber hinaus muss ich ehrlich gestehen, dass sich mir zum Teil die (Wahl)Verwandtschaft zu den Originalen nicht wirklich erschloss, was aber das Quartett absolut nicht schmälern soll 😉

Bei Bluff ist es nicht anders, vielleicht liegt es auch am Namen? Denn unter einem Bluff oder vielmehr dem Bluffen, so klärt uns mal wieder Wiki auf, versteht man gewöhnlich „ein Verhalten beim Kartenspiel mit dem Zweck, die Gegner zum eigenen Vorteil in die Irre zu führen.“ Ganz abgesehen davon, dass es alleine beim Kartenspielen hier unterschiedlichste Arten gibt, den anderen zu verschaukeln, fand, wie Wiki ebenfalls bemerkt, das Wörtchen Bluff „ausgehend vom Kartenspiel […] Eingang in die Alltagssprache und beschreibt allgemein eine Form der Täuschung.“

Und wo ist hier der Bluff? Vielleicht liegt er darin, dass Lubin eben auch keinen hundertprozentigen Vetiverduft geschaffen haben, wie ja sein Vorbild Vetiver ist – ein Weihrauchvetiver, wunderschön oszillierend zwischen Herbheit, Frische, Rauch, Kühlheit und Würze, ein Vollblutvertreter seiner Gattung. Bluff ist ganz anders und etwas ganz anderes. Warm ist er, von Beginn an – zwar tummeln sich in seinen Anfängen fröhlich-frische Hesperiden, diese werden aber von der pfeffrig-süßen Würze von Muskat und Zimt begleitet und somit fast zeitgleich geerdet. Muskatellersalbei unterstreicht mit seinem ambrierten Orangenaroma beide Duftstränge, während die Iris merklich pudrige Akzente beschert sowie einen erdigen Unterton erschafft, welcher von der „smoothen“ Basis gekonnt aufgegriffen und weitergeführt wird. Zeder für holzige Sauberkeit, Patchouli für die Tiefe, Sandelholz und Vanille für sanfte, holzig-würzige Wärme. Und eben der Vetiver, der eigentlich Hauptprotagonist sein sollte, oder doch nicht?

Möchte man von seiner Richtung sprechen, denke ich an die zwei einzigen, wirklich mit Wärme und Süße ausgestatteten Vetiververtreter, die mir aus dem Stand einfallen: Der schlicht Vetiver Tonka benannte Hermès-Duft aus der Hermessence-Reihe sowie an Byredos Bal d’Afrique. Beide haben mich vor langer Zeit gelehrt, dass Vetiver nicht notwendigerweise immer kühl verpackt werden muss – das dachte ich nämlich bis dato als Fan zünftiger, von Rauchschwaden umnebelter Vetiverdüfte. In vielerlei Hinsicht ohnehin „sanfter“ geworden – was mich gerade selbst zum Lachen bringt – habe ich beide gerade an den schönen Herbsttagen der letzten Zeit (nein, nicht gestern und nicht vorgestern – wir haben ja eh schon fast wieder Winter…) gerne getragen. Mit diesem Fingerzeig in eine Richtung ist aber Bluffs wahre Natur noch nicht ganz eingefangen.

Mich erinnert er sehr an jene Art von Herrendüfte, wie zum Beispiel Royal Heroes einer ist oder auch L’Artisan Parfumeurs Méchant Loup, der böse (Großstadt?)Wolf: Smooth ist eben genau das richtige Wort, anschmiegsam, aber tough, hautnah, kein Mann-Mann-Duft sondern ein weicher harmonischer Duft mit süßen Elementen, der aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen auf einem Mann perfekt wirken kann.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Limette, Bergamotte, Muskatnuß, Zimt; Herznote: Muskatellersalbei, Iris, Kolanuss; Basisnote: Vetiver, Zedernholz, Patchouli, Sandelholz, Vanille.

Ein Bluff ist in jedem Fall in Bezug auf den Verlauf zu entdecken: Was wie ein erfrischendes Zitrusfrüchteensemble eingeläutet wird, entwickelt sich zu einem überraschend warmen Düftchen. Und wenn ich dann schon an Poker denke und ans Bluffen – dann kommt mir doch gleich auch einer meiner Lieblingsschauspieler in einem seiner größeren Filme in den Sinn: Mads Mikkelsen als Bond-Bösewicht in Casino Royale – wer weiß, vielleicht hat er ja auch Bluff getragen? Stehen würde er ihm in jedem Fall. Und er ist in eigentlich jeder seiner Rollen auch solch ein (mehr oder weniger) standhaftes Mannsbild wie jenes, das in Lubins Vorbild für Bluff zitiert wird: Der amerikanische Pionier auf seiner Route gen Westen, der von seinem Arzt für den beschwerlichen Trip berauschende belebende tonische Mixturen zur Verfügung gestellt bekam, aus denen sich die Art Erfrischungsgetränke entwickelte, die in die amerikanische Kultur eingingen und bei jungen Leuten so beliebt sind. Deshalb wahrscheinlich auch die Kolanuss, die ich, sorry, nicht herausrieche. Vielleicht sollte ich es mal mit trinken probieren – aber da mixe ich mir jetzt lieber noch was 😉

Einen guten Start in den letzten Wochentag und ein schönes Wochenende wünscht Euch

Eure Ulrike (die den Donnerstag, an dem sie gerade noch Euren Artikel fertig geschrieben hat, jetzt tatsächlich noch mit einem Gin Tonic besiegeln wird ;))

Bildquelle: Pressematerial Lubin & „Casino Royale“ (2006) by Columbia Pictures MGM, some rights reserved.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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