Falsche Fährten oder: Die Nadel im Heuhaufen

Wie lange seid Ihr denn den Parfums verfallen und wann hat es Euch in den Nischenduftbereich verschlagen? Einen Teil meiner (Nischen)Dufthistorie steht ja in der Beschreibung meiner Person hier im Blog zu lesen – mittlerweile dürfte ich mich nun schon seit etlichen Jahren im Duftbereich tummeln. Und, wie es so ist bei jeder Leidenschaft: Sie unterliegt bestimmten Perioden. Mal heftig glühend aufwallend und dann wieder eher glimmend, aber nie komplett verschüttet bahnt sie sich, mal mehr und mal weniger ihren Weg ins Bewusstsein, überlagert temporär andere Hobbies und Passionen, mal steht sie ein wenig zurück. Präsent ist sie aber immer – die Duftleidenschaft.

In besonders eifrigen Episoden habe ich anfänglich in napoleonesker Manier ganze Firmen erobert: Mir Duft für Duft, einen nach dem anderen erschlossen, manchmal auch an einem Tag, Arme und Beine sind ja für die allermeisten Kollektionen lang genug und bieten ausreichend Platz 😉 Nun, mittlerweile kennt man dann ja eigentlich so gut wie alles „Reguläre“, merkt als „alter Hase“ besonders auf bei Neuveröffentlichungen lieb gewordener Firmen, ansonsten schnuppert man sich wie gewohnt routiniert durch die Neuigkeiten, immer auf der Suche nach einem heiligen Gral. Und frischt ab und an das Gedächtnis auf, in dem man Düfte erneut testet, von denen man nur noch vage Erinnerung besitzt, eine verblassende Vorstellung.

Tja, und dabei kann es manchmal vorkommen, dass man über verborgene Schätze stolpert. Über Düfte, denen man vor Jahren zu wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt hat, die aus irgendeinem Grunde an einem vorbeizogen sind, ohne einen besonderen Eindruck hinterlassen zu haben. Düfte, an die man sich manchmal falsch oder auch gar nicht erinnern kann, die in einer vollkommen inadäquaten Schublade gelandet sind – zu Unrecht, wie man dann feststellt.

Jene Begegnungen, die erneuten, fallen oftmals unterschiedlich intensiv aus – und manchmal, ja manchmal sind sogar Begegnungen dabei, aus denen neue Lieben werden…

Ich hatte neulich solch eine Begegnung der besonderen Art, von der ich Euch hier berichten mag: Ein Schnupperabend mit Freundin – Margot sei an dieser Stelle herzlich gegrüßt. Ein Drittel der Malle-Edition in Probenform begleitete sie in meine heiligen Hallen hier und ich ward versucht, sie mir doch einmal wieder zu Gemüte zu führen. Ich schwöre – ich kenne die ganze Kollektion, hatte sie vor Ewigkeiten einmal getestet, im Kopf meine Raster und Schemata gemacht: Vetiver Extraordinaire – 10 von 10, En Passant 9 von 10, Noir Épices 4 von 10 und so weiter. Für Iris Poudre hatte ich nur Tabula Rasa im Kopf. Und machte mich semigespannt an den Test.

Was erwartet man auch, wenn man den Namen Bourdon hört und jenen distinguiert blickenden, etwas altmodisch frisierten und klassisch gekleideten französischen Parfumeur dazu sieht? Einen Damenduft, ganz genau. Für die Frau von Welt. Femininität in Reinform, französisch noch dazu. Und wenn der Duft dann noch Iris Poudre heißt, denke ich an all jene Irisdüfte, die deren Pudrigkeit fokussieren und forcieren – von denen ich zwar einige sehr schätze, aber tragen, nein, tragen würde ich sie nicht. Insofern mussten auch all diese Kandidaten, die es überhaupt einmal in mein Privatsortiment geschafft hatten, wieder ausziehen – allen voran natürlich die Odorische Iris, die es mittlerweile nach Hause in meiner Mutter Hände geschafft hat, die ich an dieser Stelle recht herzlich grüßen mag, da sie als Internetneuling meine Artikel immer ausgedruckt zum Frühstückskaffee liest 😉 Liebe Mama, Dir natürlich steht die Odori-Iris ganz vorzüglich mit all ihrer samtig-trockenen Pudrigkeit, diese weiblich Weiche – nur für mich, nein, für mich war sie nichts.

So ließ ich der Iris Poudre auch keine übersteigerte Aufmerksamkeit zukommen, als ich sie auf einen Streifen sprühte – was sich wenige Sekunden, nicht Minuten, später bereits ändern sollte: Nach einem kurzen, aber heftigen Aldehyden-Intermezzo, wie man es von den alten Guerlains gewohnt ist, steigt aus ebendiesem eine der stolzesten Irisköniginnen hervor, die ich jemals gerochen habe: Eine überirdisch Erhabene, samtig-ledrig (beides, jawohl!) anmutende Anmutige mit einer so wohldosierten fruchtigen Aldehydensüße, die dermaßen perfekt ausbalanciert sind, dass es ein seltenes Mal mehr meinerseits zu einer Gänsehaut reichte.

Ohne Euch jetzt mit emotionalen Eskapaden meinerseits langweilen zu wollen: Dieses hier ist einer jener Düfte, der SO perfekt gemacht ist, dass er einem Tränen der Hochachtung und Verehrung in die Augen steigen lässt. Eine vollkommene Iris, ein vollkommener Duft – und dazu bedurfte es nicht viel: Aldehyde, Iris, Tonkabohne, Vanille, Moschus, Vetiver und Sandelholz. Aber, wen wundert es – es ist ein Bourdon, meine Lieben. Pierre Bourdon ist nicht ohne Grund in der Malle-Edition gelandet. Mit Fug und Recht kann man behaupten, dass er zu den besten Parfumeuren der heutigen Zeit zählt – zeichnete er sich zum Beispiel verantwortlich für Klassiker wie Féminité de Bois von Shiseido, Kouros von YSL, Jil Sander Sun, Diors Dolce Vita und Davidoffs Cool Water, darüber hinaus schuf er den von mir so verehrten Mark Birley Signature-Duft, die Roméa d’Améor-Kollektion sowie den French Lover für Malle.

Mit Iris Poudre stellt er nicht nur erneut sein Können unter Beweis, sondern katapultiert jenen Duft sofortig auf Nummer Eins meiner Iris-Lieblinge – vorbei, dass muss ich ehrlich einräumen, sogar an der ebenfalls ikonischen Iris Pallida von L’Artisan Parfumeur. Iris Poudre ist für mich ein Duft, der sich eigentlich nur mittels eines Stoffes erklären lässt: Er ist eine silbergrau leuchtende Kaschmir-Seiden-Mischung, jene distanzierte Eleganz und intime Vertrautheit meisterhaft vereinend und ausstrahlend, die den beiden Stoffen innewohnt sowie deren Reiz ausmacht. Marilyn Monroe trug nachts nur Chanel No. 5? Ich in Zukunft die Iris Poudre – und nicht nur nachts meine Lieben…

An dieser Stelle sei nochmals ein Dankeschön eingeflochten, das von Herzen kommt: An denjenigen Freund, jenen „Soulmate“, der/die neulich davon überzeugt war, dass ich fortan nicht mehr ohne die Iris sein dürfe, nachdem ich sie vorgeführt hatte. Und an jene Freundin, die formal, aber nicht emotional zu spät kam und mir trotzdem damit noch eine riesige Freude bereiten wird. In jedem Falle werde ich mein Leben nie wieder ohne die Iris fristen müssen – und das ist gut so!

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Iris von I.Sá?ek sen. via Wiki Commons und Iris: The Flower von Piret Tamm via stockxchng, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

8 Kommentare

  1. 15. Oktober 2010
    Antworten

    Zu Deiner Frage wie man denn in den Nischenduft-Bereich gedriftet sei: Bei mir kam das über die Liebe für „Flaschen“ – die Sammelei von 1.Größen und, ja auch eine Zeitlang von Minis. Da habe ich immer auch dran gerochen – und auch viele alte Düfte erleben dürfen. Irgendwann reicht einem dann das Angebot der türkisen Läden wirklich nicht mehr, und dann begann das echte Interesse daran, was es denn „sonst noch so gibt“.

    Und wie man weiss – das ist ein Fass ohne Boden :-)))

    Apropos: Iris – DAS hättest Du heute nicht sagen/schreiben dürfen. JETZT muss ich wieder was Neues schnuppern, und wer weiss, wohlmöglich auch kaufen.
    Aber Danke .-))

  2. Christiane
    15. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Uli,
    ich bin ja mit anderthalb Jahren „Erfahrung“ im Vergleich zu anderen Duftnasen hier noch ein rechter Anfänger im Nischenduftsektor. Aber seitdem ist es um mich – und mein Konto;-) – geschehen.
    Und die Iris ist dank Deiner Anfixerei und der im Board auch schon in meinem Fundus gelandet. Sie ist aber auch wundervoll.
    Also bitte – trotz der real im Hintergrund dräuenden Gefahr eines Brückenschlafplatzes – immer her mit den Anregungen. Auch gern außerhalb meines anfänglichen Beuteschemas („ich mag nur Blumen und Dessert“ – stammt das wirklich von mir?).

  3. Margot
    15. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Uli,
    vielen Dank für die Namensnennung 🙂
    Dich mit irgendeinem Malle-Duft so anzufixen war wirklich nicht der Plan 🙂 Es freut mich aber sehr, dass Du heute immer noch so davon schwärmst und ja liebe Leser, ich kann es bestätigen, Uli hatte Gänsehaut als sie ihn getestet hat!

    Tja, mein Einzug in den Nischenduftbereich? Dachte ich hatte das hier schon mal erwähnt …. bin irgendwie über Montale gestoplert und dann bei ALzD gelandet. Herr Wuchsa wird bestimmt wissen, wann ich mich angemeldet habe. War das 2006?
    Ansonsten komm ich eigentlich aus dem Miniatur-Sammel-Bereich. Aber: im Gegenzug zu Martina hab ich die kleinen alten Fläschchen bis vor kurzem NIE geöffnet. Ich hab mich allerdings in den letzten Tagen bei einigen wenigen dazu hinreissen lassen.

    Wünsche allen einen schönen Tag und viele liebe Grüsse,
    Margot

  4. Jutta L.
    15. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Uli,

    nach Deiner wunderschönen Beschreibung muss ich Iris Poudre auch noch mal testen, damals liess er mich eher kalt, vielleicht weil ich mit pudrigen Düften fast immer Schwierigkeiten habe. Meine ersten Malle Düfte habe ich kennengelernt, als ich 2003 das damalige Probierkit bestellt hatte, ich habe es zwar immernoch (mehr aus nostalgischen Gründen), aber Iris Poudre riecht natürlich nicht mehr authentisch. Damit auch zu Deiner Frage, wann das bei uns mit den Düften, insbesondere den sogenannten Nischendüften anfing.
    Meine „Liebe-zum-Duft Geschichte“ fängt damit an, dass ich als 5-jährige einmal zu intensiv am Chanel Nr.5 Parfum Flakon meiner Mutter geschnuppert habe und dieser daraufhin umfiel und auslief. Da gabs erstmal Schimpfe und meine erste Erinnerung an Parfums hat sich dadurch verankert. Als Teenager fing ich dann an, alle neuen Düfte, egal ob für Frauen oder Männer gedacht, zu testen, sobald sie sich in den Regalen unserer lokalen Parfümerie einfanden.
    1995 etwa habe ich dann die sogenannten Nischendüfte entdeckt, in der Schlossparfümerie in Stuttgart fing ich mit Caron und Parfums de Nicolai an. Auf AlzD bin ich dann in meiner Zeit in Finnland gestossen, das war 2002/2003, damals sass ich in Helsinki sozusagen „auf dem Trockenen“, es gab dort einfach keine anderen Düfte finden, als ein paar gängige grosse Marken (das dürfte heute anders sein). Da war die Möglichkeit, hier online Proben und Düfte zu bestellen, einfach paradiesisch für mich.

    Ja, ich probiere immernoch alles, was mir unter die Nase kommt, tendiere in meinen Vorlieben im Kern weiterhin zu den orientalen oder floral-orientalen Düften, aber das Spektrum hat sich doch ganz schön erweitert. Faszinierend finde ich, dass ich richtiggehende florale Phasen habe, wo ich Düfte, deren Schwerpunkt von einer ganz bestimmten Blüte bestimmt wird, teste und auch trage. Witzigerweise waren das in den letzten Jahren genau die weissen Blüten, die ich früher nicht riechen konnte. Das fing an mit Jasmin, dann kam Gardenie und zuletzt Tuberose. Rosendüfte waren bei mir immer oder immer wieder aktuell, da geht nur die Tendenz von den ganz dunklen, würzigen, hin zu helleren, fröhlicheren – wie z.B. Rose Splendide, Quel Amour Eau Parfumee und Rose au bord de la mer.
    Ich sollte mal alle Düfte aufschreiben, die ich je getragen habe – aber damit langweile ich Euch lieber nicht auch noch….

    Lieben Gruss
    Jutta L.

  5. Ulrike
    15. Oktober 2010
    Antworten

    Hallo Ihr Lieben,

    ahaaa! Ertappt! Da sind ja einige von Euch, die unmittelbar aus der Flakonsammelecke kommen! Ich persönlich habe ansonsten fast die gleiche Vorgeschichte wie Jutta: Vor den Nischendüften war ich schon parfumverrückt, obgleich, ehrlicherweise, nicht in dem Maß. Das änderte sich dann mit dem Besuch der Stuttgarter Schlossparfumerie ebenfalls und hernach bin ich dann hier in Bruchsal gelandet – zuerst als Kunde und dann nach Jahren als Schreiberling 😉
    Und bin jetzt hoffnungslos süchtig.

    @ Martina, Christiane und Jutta: Mit dieser Iris fixe ich gerne an (mit vielem sonst auch, ich weiß ;)) – aber diese sollte man in der Tat mal versuchen.
    Wie Margot sicher bestätigen kann, war ich anfänglich wirklich nicht sehr aufmerksam, wie auch, pudrige Iris, normal nicht mein Thema, Damendüfte, klassische, auch nicht wirklich. Und die Ingredienzen hörten sich nach einem ebensolchen an…
    Nun ja – für mich hat sich der Duft von Null auf Hundert in meine TopTen katapultiert – zu diesem Thema aber morgen mehr (ja, morgen gibt es einen Samstagsartikel…).

    @ Christiane: Ja, *lol* „nur Blumen und Dessert“ war von Dir und ich dürfte noch in den Untiefen meines Outlooks Beweise dafür haben *grins*

    @ Jutta: Das mit den Blumen kenne ich auch. Bei mir ohnehin witzig, da ich mich früher immer an Coco Chanel hielt, die ja irgendwann mal verlauten ließ, dass sie keine Blume sei und deshalb auch nicht wie eine riechen müsse… Insofern hat sich auch mein Duftradius beträchtlich erweitert: Zu den „Domina“-Düften (Leeeder, Weihrauch, Gewürze, Harze, Hölzer) gesellte sich die eine oder andere Frucht, dann kamen noch ein paar Blüten hinzu und mittlerweile tatsächlich auch Weißblüher, die ich mir, ähnlich wie Du, peu à peu erschlossen habe.

    Und die Liste aller jemals getragenen Düfte Jutta – her damit! 😀

    Liebe Grüße an Euch alle,

    Eure Uli.

  6. Alexandra M
    19. Oktober 2010
    Antworten

    Nach dieser tollen Duftbeschreibung würde ich auch gerne den einen oder anderen Duft aus der Malle Kollektion testen – doch wo findet man diese?
    Liebe Grüße.
    Alexandra

  7. Margot
    19. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Uli,
    hier sei gesagt: Je länger ich die Malle-Iris selbst erprobe, um so schöner wird sie!

    @Alexandra: 1. Kann man die Malle-Düfte über deren HP bestellen. 2. Meine Kenntnis in Sachen Verkauf in D beläuft sich auf Hamburg, Berlin, Frankfurt.

    Liebe Grüsse,
    Margot

  8. Ulrike
    20. Oktober 2010
    Antworten

    Ich weiß von München, Berlin und Hamburg – und eben direkt Frankreich, sie verschicken auch nach Deutschland wie Margot schon schrieb – danke für Deine schnelle Antwort 🙂

    Liebe Grüße,

    Ulrike.

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