Baudelaire die Zweite – oder so ähnlich…

Als ich letzte Woche den Blogartikel zu Byredos Baudelaire verfaßte, habe ich mal wieder in den Fleurs du Mal geblättert, um Euch ein besonders aussagekräftiges Gedicht herauszusuchen. Dabei bin ich dann gleich bei einem weiteren Gedicht hängengeblieben, das mich zum heutigen Blogartikel inspiriert hat, bei – der Katze:

I
In meinem Hirn, als wär’s ihr eigner Raum,
Schleicht auf und nieder auf der weichen Tatze
Geschmeidig sanft die schöne, stolze Katze.
Und ihrer Stimme Ton vernimmt man kaum,
So zart und heimlich ist ihr leis Miauen.
Und ob sie zärtlich, ob sie grollend rief,
Stets ist der Klang verhalten, reich und tief
Und Zauber weckend und geheimes Grauen.
Die Stimme, die wie schwere Perlen sank
In meines Wesens dunkle Gründe nieder,
Erfüllt mich wie der Klang der alten Lieder,
Berauscht mich wie ein heißer Liebestrank.
Sie schläfert ein die grausamsten Verbrechen,
Verzückung ruht in ihr. Kein Wort tut not,
Doch alle Töne stehn ihr zu Gebot
Und alle Sprachen, die die Menschen sprechen.
Auf meiner Seele Saitenspiel ließ nie
Ein andrer Bogen so voll Glut und Leben
Die feinsten Saiten schwingen und erbeben,
Kein anderer so königlich wie sie,
Wie deine Stimme, rätselvolles Wesen,
Seltsame Katze, engelgleiches Tier,
Denn alles, Welt und Himmel ruht in ihr,
Voll Harmonie, holdselig und erlesen.
II
Und ihrem weichen Fell, das braun und fahl,
Entsteigt ein Hauch, so süß die Sinne labend,
Dass ich davon durchduftet bin am Abend,
Berührt ich’s streichelnd nur ein einzig Mal.
Von je des Orts vertrauter Geist gewesen,
Herrscht sie und richtet und beseelt zugleich
Ein jedes Ding in ihrem weiten Reich;
Ein Feenkind vielleicht, ein göttlich Wesen.
Und wenn mein Blick, magnetisch hingelenkt
Zu jener Katze, die beherrscht mein Sinnen,
Sich wieder wendet, fügsam, ohn Entrinnen
Und still in ihren Anblick sich versenkt,
Dann seh‘ ich staunend und im Tiefsten schauernd,
Dass ihre Augensterne feurig fahl,
Leuchtfeuern gleich und lebendem Opal,
Mich unverwandt betrachten, still und lauernd.

Humiecki & Graef GesteSelbst stolze Besitzerin einiger feliner Exemplare kann ich Baudelaires Faszination für diese Spezies nur allzu gut nachvollziehen. Und von Baudelaire und seiner Ode an die Katze ausgehend ließ ich meinen Gedanken etwas freien Lauf und kam alsbald auf – meine Haustiere und die Düfte. Ganz sicher bin ich nicht der einzige Haustierhalter hier, ergo würde es mich wirklich brennend interessieren, wie Eure Tiere (welche?) auf Eure Düfte (nochmal: welche?) reagieren: Ergreifen sie die Flucht und nehmen Reißaus, stört es sie nicht oder sind sie vielleicht dem einen oder anderen Duft besonders zugetan?

In meinem werten Heim reagiert nur ein Tier auf Düfte und ich kann durchaus behaupten, daß ich in dessen Gunst definitiv steige, sobald ich zwei ganz bestimmte Düfte auflege… Somit habe ich beschlossen, den heutigen Post meiner Diva Zora zu widmen und Euch deren Lieblingsdüfte vorzustellen, für welche ich nicht nur besonderer Beachtung zuteil werde, sondern mich eines regelrechten Stalkings ausgesetzt sehe samt tätlicher Angriffe in Form von Schmuseattacken in bis dato annähernd unbekannter Vehemenz.

Zora scheint eine Präferenz für Moschus zu haben, und zwar für bestimmte, sehr hochwertige künstliche Moschusarten – das ist die Gemeinsamkeit ihrer beiden Favoriten, die da wären: Anamor All that matters und Geste von Humiecki & Graef.

Anamor All that mattersAll that matters von Anamor ist, so interpretiere ich den Namen in Relation zu meinen Tragegewohnheiten, ein Duft für all jene Momente, in denen gar nichts anderes wichtig ist als das bloße (Da)Sein. Ein für mich ungewöhnlicher Duft, handelt es sich bei All that matters doch um einen reinen Moschusduft mit ein bißchen Sandelholz und einem Hauch Maiglöckchen – nicht unbedingt typisch für mich…

All that matters ist ein genauso unschuldig und pur wie seine Anmutung, die sich in fast allen seiner Verpackungen (diese wechseln stetig je nach Edition / Auflage) widerspiegelt: Ein kleines, mattiertes Fläschchen aus Glas mit einem schlichten silbernen Deckel, umhüllt von einem handgefertigten Säckchen, welches an die Aufbewahrungen von Schmuck oder anderem Gezier erinnert. Ein Schatz ist All that matters, ein zerbrechlicher – das wird einem suggeriert. Und es ist nicht ganz falsch: Mir ist, von einigen Ausnahmen abgesehen (unter anderem Narciso Rodriguez Musc for Her OIL (!), Le Labo Musc) selten ein solch schöner, sauberer Moschusduft unter die Nase gekommen (ich rede jetzt nicht von den Schmuddelkindern, den dreckigen Moschusausprägungen). All that matters ist ein rares Kleinod, unschuldig, weiß, luzide und von einer papiernen Süße (anstatt jener Moschusfacette, die häufiger mal metallisch beziehungsweise nach Bleistift(mine) zu riechen pflegt) – ein „Kuschelmuschel“-Duft, wenn man so will. Einer der Düfte, der riecht wie die eigene Haut – nur eben besser. Und eben alles, was zählt in solchen Momenten…

Geste, Zoras zweiter Liebling, hatte mich auch gleich zu seinem Erscheinen schwer verzückt – und das obgleich seine Ingredienzen, vor allem in der Kombination, mich normalerweise ebenfalls nicht hätten ansprechen dürfen… welche da wären: Ambra, Veilchen, Moschus und Harze.

geste_bettGeste ist, wie jedes Parfum von Humiecki & Graef einer (Ur)Emotion gewidmet – in diesem Falle der Intensität. Fischenich, einer der Gründer und Inhaber, stellt sich unter Geste „Eine gestandene, ältere Frau“ vor, welche „einen sehr jungen Liebhaber hat, die sich Gedanken darüber macht, wie die Beziehung sich entwickelt und wie sie enden wird. Natürlich geht es auch um den Gegensatz von Reife und Jugendlichkeit bei der Sexualität“ – eine annähernd poetische Beschreibung und: Lolita mal andersrum, wie ich auch bereits in der Beschreibung in unserem Shop bemerkte.

Für mich ist Geste in der Tat intensiv und strahlt Intensität aus, aber nicht unbedingt fleischgewordene. Der Reiz von Geste liegt in dem Bild, das der Duft hervorruft: Ich sehe hier ein zerwühltes Bett mit weißen Laken in einem lichtdurchfluteten Raum, gewärmt von der Sonne, die auf die Holzdielen scheint, auf denen ebenso wie im Bett ein paar Krümel von Madeleines zu finden sind, vielleicht waren es auch Croissants… Eine malerische Momentaufnahme, ein Augenblick, der alles verschmilzen läßt, in dem Vergangenes gegenwärtig wird und Zukünftiges verheißt…

Euch einen guten Start in die Woche – verträumte Grüße, Ulrike.

Bildquellen: meine rote Zora, Anamor All that matters. Danke an Lillian Nelson für das schöne Foto „Rest and Relaxation“ via stock.xchng!

Das Baudelaire-Gedicht ist aus den Fleurs du Mal – Ihr findet es hier.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

6 Kommentare

  1. Petra
    8. Februar 2010
    Antworten

    wunderschöner Artikel,liebe Uli 🙂

  2. Christiane
    8. Februar 2010
    Antworten

    Petras Kommentar kann ich mich nur anschließen.
    Mein Herr des Hauses (ein echter Garfield nach Aussehen und Essvorlieben…) präferiert „Omega 3 Overnight Lipid Renewal Serum“ von REN. Der leichte Fischgeruch ist auch nicht zu leugnen, für mich ein Grund nach der Probe kein Original zu ordern – aber mein Kater war hin und weg. Sonst nicht so der große Schmuser wich er nicht mehr von mir und wollte mich immer wieder sorgfältig putzen..:-))

    • Ulrike
      15. Februar 2010
      Antworten

      Hahaa, Fischgeschmack – vielleicht sollte ich das auch mal bei meinen Damen probieren, sie liiieben Fisch!
      Aber in der Tat, meine Haut muß jetzt auch nicht unbedingt nach Fisch duften, obgleich ich ja auf alles mögliche Olfaktorische stehe… 😉

      Liebe Grüße, Eure Ulrike.

  3. Steffi
    25. Februar 2010
    Antworten

    Mein Hund war ein großer Fan von Dolce & Gabbanas Light Blue…
    Ich muss sagen, mir war der lasziv ruhende Jüngling im Badehöschen, der die Light Blue-Fernsehwerbung schmückte, lieber als der Duft selbst 😉

  4. Christiane
    6. Juli 2010
    Antworten

    Und noch ein Nachtrag dank neuer Dufterfahrung: Mein Kater liebt Multiple Rouge von Humiecki&Graef. Er läuft mir wie ein Schatten hinterher, schnuppert, will mich putzen… Und ich liebe den Duft auch – nicht nur wegen dieser Wirkung.

  5. Ulrike
    6. Juli 2010
    Antworten

    Multiple Rouge? Echt? Ich habe ja mittlerweile noch eine Schnüffelkatze dazubekommen, die liebt ALLE Düfte und muß IMMER mit mir testen. … das mit dem MR werde ich aber auch mal versuchen *kramnachderprobe*

    Liebe gespannte Grüße, Ulrike.

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