Geht es Ihnen auch so, dass Sie langsam das Wort Krise nicht mehr hören können? Täglich berichten die Medien, dass es langsam wieder bergauf geht, beziehungsweise jetzt erst richtig bergab, je nachdem welcher Experte gerade befragt wird. Sogar in hoch-seriösen Zeitungen erfahren wir – ob wir wollen oder nicht – wie die Krise unseren Alltag verändert. US-Sex-Guru Dr. Ruth Westheimer berichtete unlängst in der „New York Post“, dass die Libido der Männer sich im freien Fall befindet, wie der Dow-Jones-Index. Der britische „Daily Telegraph“ dokumentiert den Niedergang der Ausgeh-Kultur: Im Durchschnitt werde in Zukunft jeder vierte Brite aufgrund der Rezession pro Woche bis zu vier Stunden länger fernsehen, der Trend geht nämlich zum Cocooning, soll heißen, in der Krise bleiben mehr Menschen abends in den eigenen vier Wänden, wo es eben am Billigsten ist. Und wann das nächste Traditions-Unternehmen insolvent sein wird, scheint nur eine Frage der Zeit.

Das Faszinierende ist, dass man– wie immer in schwierigen Zeiten – an den aktuellen Modetrends auch die Stimmungslage der Menschen ablesen kann. In Zeiten der Krise verkaufen sich keine futuristischen, umständlichen Entwürfe. Wir sehnen uns stattdessen nach altbewährtem, nach kuscheligen, weichen, natürlichen Stoffen und Schnitten, in denen wir uns wohl und geborgen fühlen. Das letzte Beispiel für dieses Phänomen gab es 2001, als es nach den Anschlägen vom elften September statt High-Tech-Stoffen über Nacht einen Richtungswandel hin zu Hanf, Baumwolle und Seide gab, der im Grunde bis heute anhält.
Doch diesen Herbst haben sich viele Designer ein mutiges Symbol überlegt, um der globalen Wirtschaftskrise zu begegnen: Schulterpolster. Der Schrecken der Achtziger Jahre ist wieder da, übergroß und (manche mögen sagen: leider) unübersehbar. Aber ist das eine gute Nachricht, dass die „Shoulder-Pads“ wieder aus der Schublade geholt werden? Im Grunde, ja. Denn wer einmal darüber nachdenkt, was die Designer uns damit sagen wollen, muss von der Idee eigentlich begeistert sein. Ob Stella McCartney, Sonia Rykiel, Balmain oder Givenchy – sie alle haben sich dem Retro-Look zugewandt, um der Frau sinnbildlich neue Kraft zu verleihen: Aufgepaßt, hier kommt jemand, der sich nicht so schnell umhauen lässt. Denn das ist der Ursprungsgedanke hinter den XXL-Schultern. Stärke zeigen! Jede Frau kann auf sich alleine aufpassen, sich behaupten und allen Krisen der Welt trotzen. Ha! Und auch wenn die Fashion-Bloggers rund um den Globus entsetzt aufschreien, weil die kastenförmige Schulterpartie wieder belebt wird, lohnt es sich doch, einen Augenblick über die Symbolkraft der Mad-Max-Pads nachzudenken. Und wer erst einmal einen Blick auf die wunderschönen Modelle zum Beispiel bei Louis Vuitton geworfen hat, muss zugeben: Back is beautiful.
Die Erfindung der Riesenschulter geht auf das 17. Jahrhundert zurück, als Militäruniformen und Adels-Mode mit auffallenden Drapierungen versehen wurden, damals als eine Art fragwürdiges Machtsymbol und Drohgebärde. In den 1930er Jahren fanden die Schulterpolster dann ihren Eingang in die Modewelt der Neuzeit (unnötig, auf die damalige Wirtschaftskrise hinzuweisen, oder?), als MGM-Chefdesigner Gilbert Adrian den Hollywood-Star Joan Crawford aufrüstete. Designerin, und erbitterte Chanel-Kontrahentin, Elsa Schiaparelli folgte mit eigenen Entwürfen. Massentauglich? Damals noch nicht. Der Durchbruch kam erst mit der Denver-Klan-Ära in den 80’er Jahren. Grund damals, Frauen wie Männer optisch aufzuplustern? Wieder einmal finanziell angespannte Zeiten, die große Rezession.

Aber wie gesagt, es gibt auch noch ein paar Anti-Crisis-Nachrichten aus der Mode-Welt, wenn wir einen Ausblick in die Zukunft wagen:
Good News # 1:
Die kommenden Kollektionen für das Frühjahr 2010 zeigen, dass wir uns entspannen können. Die Krisenstimmung scheint vorerst gebannt zu sein. Alles wird gelassener, weicher. Schöne fließende Stoffe, eine runde, sinnliche Silhouette. Ohne XXL-Schultern. Kuschelig und praktisch zugleich, in dezenten, hellen Erdtönen. Die Modewelt spricht von „de-stressed“. Die politische Botschaft wird aber dennoch weiterhin visualisiert, kehrt aber zu grundlegenderen Problemen zurück, in Form von Accessoires – z-B. Tücher und Taschen mit „Save the Planet“-Aufdruck. Naja.
Good News # 2:
Mode wird bezahlbarer! Wenn die Konsumenten verstärkt auf das Geld schauen, müssen sich auch Götter des Mode-Olymps danach richten. Den Anfang machen Dolce&Gabbana. Für seine Frühlings-Kollektionen („Dolce&Gabbana“ und „D&G“) hat das Designer-Duo angekündigt, die Preise um 10 bis 20 Prozent zu senken. Eine vernünftige Idee, die wohl alle Fashionistas begeistern dürfte, unabhängig von etwaigen Geschmacksfragen. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend in den Köpfen möglichst vieler Labels einnistet.
Und schließlich –
Good News # 3:
Die gute Nachricht für alle, die gegen Schulterpolster sind: Nach dem Regen folgt die Sonne, das ist in der Welt der Mode nicht anders. Wenn die Talfahrt der Wirtschaft im nächsten Jahr nämlich tatsächlich vorbei sein sollte, können wir alle unsere Schulterpolster-Outfits zur Hand nehmen und in einem Akt der Erleichterung die Krisen-Airbags wieder herausreißen. Dann darf Frau wieder das schwache, süße Geschlecht mimen und die Männer werden zu ihrer alten Libido-Form zurückfinden. Versprochen.
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