Die amerikanische Traditionsmarke Gravel, deren Geschichte mit dem Duft A Man’s Cologne begann und die tief in der Erzählung des American Dream verwurzelt ist, schlägt mit der Transcendence Collection ein neues Kapitel auf. Gegründet in den 1950er-Jahren von Michael Knudsen – seines Zeichens Schauspieler, Visionär, Ästhet und Bonvivant – war Gravel lange Zeit ein gut gehüteter Geheimtipp. Der Duft mit den Kieselsteinen im Flakon, handverlesen vom Ufer des Hudson River, war damals schon mehr als ein Parfum. Er war zunächst ein Statement und später eine Legende. Denn nach Knudsens Tod verschwand Gravel für eine ganze Weile von der olfaktorischen Weltbühne. Die Marke schien, wie so viele andere, dem Laufe der Zeit zum Opfer gefallen zu sein.

Doch dann trat Christian Blessing auf den Plan – seit jeher ein echter Fan der klassischen Gravel-Düfte. Er war getrieben von der Idee, das Erbe Knudsens nicht nur zu bewahren, sondern ihm ein neues Leben einzuhauchen. Mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt vor den Originalrezepturen brachte Blessing A Man’s Cologne zurück, sanft reformuliert und modernisiert, und lancierte nach und nach auch weitere Kreationen aus Knudsens Duftfundus.
Transcendence Collection – eine neue Ära
Jetzt geht Gravel einen Schritt weiter und bringt eine neue Kollektion auf den Markt: die Transcendence Collection. Die erste vollständig eigenständige Duftlinie seit der Wiederbelebung der Marke – keine Hommage an die Vergangenheit, sondern ein Ausdruck der Gegenwart. Oder besser: der Zukunft. Frisch konzipiert, mit neuen Ideen, neuen olfaktorischen Handschriften und einem klaren künstlerischen Anspruch. Die Transcendence Collection markiert damit nicht nur einen weiteren Meilenstein in der Geschichte von Gravel, sondern auch den Beginn eines neuen kreativen Kapitels.
Gleich vier Düfte umfasst diese Kollektion: Eau D’Ominance, Eau D’Aspiration, Eau D’Esire und Eau D’Evolution. Jeder von ihnen soll eine eigenständige Interpretation dessen sein, was es bedeuten kann, über das Gewohnte hinauszugehen. In der kommenden Woche werde ich alle vier auf diesem Blog vorstellen. Den Auftakt macht Eau D’Ominance, eine Kreation des französischen Parfümeurs David Chieze, der seine ganz persönliche Vorstellung von Stärke, Dualität und Identität in diesen Duft einfließen ließ. Bevor ich euch meine Eindrücke zum Duft schildere, lasse ich zunächst David Chieze selbst sprechen – über seine Herangehensweise, seine Inspiration und die Idee hinter Eau D’Ominance.
Lieber David, könntest du uns ein wenig über dich und deinen Weg in die Welt der Parfümerie erzählen?
Ich bin nun seit etwa neun bis zehn Jahren als Parfümeur tätig und arbeite für das Familienunternehmen LUZI, dessen Hauptsitz sich in der Nähe von Zürich befindet. Kreativ tätig bin ich jedoch überwiegend in Paris, wo ich gemeinsam mit Mark Buxton in unserem Pariser Büro neue Düfte entwickle.
Erinnerst du dich an deine allererste Duftbegegnung? Ein Geruch oder ein Moment, der dir bis heute im Gedächtnis geblieben ist?
Oh ja, ich war damals etwa drei oder vier Jahre alt. Wir lebten im Norden Frankreichs, und die Gerüche meiner Kindheit waren vor allem grün – frisch gemähtes Gras, Lebensbäume, Waldboden. Eines Tages machten meine Eltern mit mir eine Wanderung im Süden Frankreichs, wo die Landschaft trocken und sonnenverwöhnt war. Ich erinnere mich, wie ich meine Mutter fragte, was dieser ganz besondere Duft sei, der in der Luft lag. Ihre Antwort: Rosmarin und Thymian – sie wuchsen dort einfach wild.
Gab es ein bestimmtes Parfüm, das deine Leidenschaft für Düfte geweckt hat? Und hast du einen absoluten Lieblingsduft?
Definitiv: Fahrenheit von Dior. Mein Großvater trug ihn, später auch mein Vater. Noch heute zaubert mir dieser Duft ein Lächeln ins Gesicht – er ist eine Art olfaktorischer Anker meiner Erinnerungen. Später haben mich auch „Féminité du Bois“ und „Eau Sauvage” sehr beeindruckt – absolute Meisterwerke. Und dann wäre da noch „Iris Gris“ von Jacques Fath – ein wahrer Schatz, der lange verschwunden war und glücklicherweise wieder neu aufgelegt wurde. Ich liebe diesen Duft, weil er so zerbrechlich und gleichzeitig ikonisch ist.
Was hat Dich letztlich dazu inspiriert, Parfümeur zu werden?
Da meine frühesten Erinnerungen eng mit Gerüchen verknüpft sind, glaube ich, dass die Leidenschaft schon immer ein Teil von mir war. Als ich dann irgendwann realisierte, dass man tatsächlich beruflich mit Düften arbeiten kann, war für mich klar: Das ist mein Weg.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Christian und dem Gravel-Team? Hattet ihr vorher bereits gemeinsam an Projekten gearbeitet?
Nein, wir hatten vorher noch nicht zusammengearbeitet. Aber wir kannten uns bereits von verschiedenen Veranstaltungen. Unsere Begegnungen waren immer sehr offen und herzlich, und irgendwann hat sich daraus auf ganz natürliche Art und Weise eine Zusammenarbeit ergeben.
Hast du ein Briefing du für Eau D’Ominance erhalten? Oder wie lief es ab?
Wir waren immer mal wieder in Kontakt und irgendwann fragte mich Christian, ob ich mir vorstellen könne, mit einer Kombination aus Oud, Leder und Salz zu arbeiten. Ich war sofort begeistert – auch, weil ich einige Monate zuvor bereits selbst an einem ähnlichen Konzept gearbeitet hatte. Das war eine richtig schöne Fügung, fast schon eine Art kreativer Synchronizität.
Der Duft soll die Essenz von Dominanz verkörpern. Welche Eigenschaften muss ein Parfüm haben, um dieses Gefühl zu transportieren?
Für mich gehören dazu Mut, Charakter, Charisma und Eleganz. Dominanz ist nicht gleichbedeutend mit Lautstärke – es geht um Präsenz, um das gewisse Etwas, das man spürt, bevor man es sieht oder hört.
Mit welchen Duftnoten oder olfaktorischen Familien verbindest du Stärke oder Dominanz?
Definitiv mit Leder, mit animalischen Nuancen und kräftigen Hölzern. Alles, was eine gewisse Kantigkeit besitzt. Diese Ingredienzien strahlen Selbstbewusstsein aus, ohne aufdringlich zu wirken.
Die Kombination aus Leder, Oud und Salz ist überraschend und mutig. Wie würdest du diese Mischung beschreiben?
Sicherlich gewagt, aber raffiniert. Für mich ist sie kraftvoll und dabei dennoch stilvoll. Der salzige Aspekt bringt etwas Modernes, beinahe Unvorhersehbares hinein – das gefällt mir sehr.
Gab es besondere Herausforderungen oder Wendepunkte in der Entwicklung von Eau D’Ominance?
Tatsächlich nicht. Manchmal läuft ein kreativer Prozess einfach rund. Das war hier der Fall. Die Elemente haben für mich gut miteinander harmoniert und so hat es sich schließlich fast von selbst zusammengefügt.
Wann würdest du persönlich diesen Duft tragen? Ist es eher ein Signaturduft oder etwas für besondere Anlässe?
Für mich ist es ganz klar ein Signaturduft. Ich liebe diese Kombination aus Leder, Salz und Veilchen – sie entspricht ganz meinem persönlichen Geschmack. Und ein Bild hat mich dabei besonders begleitet: „Ich stellte mir ein Stück schweres Leder vor, das an den Strand gespült wird und langsam in der Sonne trocknet, dabei eine salzige Kruste bildet. Dieser Duft vereint einige meiner liebsten Noten – deshalb ist er für mich sehr persönlich. Er hat Substanz und Textur, ohne je aufdringlich zu wirken.“
Was macht Eau D’Ominance deiner Meinung nach besonders?
Die salzige Brise bricht nicht mit der Schwere von Leder und Oud. Im Gegenteil: Sie verleiht dem Duft eine gewisse Leichtigkeit und macht ihn vielseitig tragbar. Und doch bleibt seine Tiefgründigkeit stets spürbar. Das ist ein schönes Gleichgewicht.
Welche Stimmung oder Aura vermittelt dir der Duft?
Für mich steht dieser Duft für Selbstbewusstsein, Eleganz und Souveränität. Dominanz ist hier nicht aufdringlich oder laut, sondern überzeugt vielmehr durch Haltung und Präsenz. Ein Duft, der nicht gefallen will, sondern für sich steht.
Gibt es aktuell einen Rohstoff, der dich besonders inspiriert?
Ich bin momentan sehr angetan von salzigen Noten, außerdem von fruchtigen Akkorden, die nicht süß sind. Ein spannendes Thema.
Und umgekehrt – gibt es einen Rohstoff, du als besonders herausfordernd empfindest?
Ehrlich gesagt: Nein. Ich bin überzeugt, dass man mit jedem Rohstoff arbeiten kann – man muss ihm nur den richtigen Kontext geben und ihn passend „kleiden“.
Lieber David, vielen Dank, dass du dir Zeit für meine Fragen genommen hast.
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