Die Marke Sora Dora ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Familiengeschichte und zeitgenössische Nischenparfümerie auf elegante Art und Weise miteinander verbindet. Gegründet wurde sie 2021 von Quentin Dorado, der als Urenkel von Antoine Soradora auf ein generationenübergreifendes, olfaktorisches Erbe zurückgreifen kann. Laut Überlieferung wanderte Antoine 1920 als 18-Jähriger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Portugal nach Frankreich aus, denn seine Eltern wollten ihn gegen seinen Willen zum Priestertum verpflichten. Nach verschiedenen Jobs, u. a. als Bergmann und Gärtner, landete er schließlich in Grasse, der Parfumhauptstadt schlechthin.
Eine von Antoines drei Töchtern, Jany, ist die Großmutter von Quentin Dorado. Auch sie war zeitlebens von Düften umgeben, arbeitete in einer Parfümerie, ebenso wie ihr Sohn, Quentins Vater. Und so ist es fast schon eine Familientradition für die ehemaligen Soradoras und heutigen Dorados im Parfum-Business zu arbeiten, eine ganz natürliche Entwicklung, die 2021 in der Gründung des Dufthauses Sora Dora gipfelte.
Der Bezug zur Familiengeschichte ist auch in den Duftnamen der Kreationen von Sora Dora spürbar: Jany, ein fruchtiger Gourmand, der an die Tarte Tatin von Quentin Dorados Großmutter Jany erinnert. Gréasque erinnert an das kleine Dorf in der Provence, in dem der junge Antoine nach seiner Flucht aus Portugal zunächst strandete und wo er in einem Kohlebergwerk arbeitete. Ob die historische Figur Antoine Soradora tatsächlich in dieser Form und mit diesem Namen existierte oder teilweise Legende ist, bleibt offen, aber genau das macht für mich den Reiz dieser Marke aus. Was ist Fakt, was Fiktion?
Eine Tatsache ist auf jeden Fall, dass es von dem jungen Dufthaus bislang zwei Kollektionen gibt: Eine in Schwarz gehaltene, klassische Kollektion und eine White Collection, der Name ist hier farblich Programm. Die schwarze Linie steht für die opulente, klassische Seite von Sora Dora. Sie umfasst komplexe, würzige und oft dunkle Kompositionen, die an das reiche Erbe französischer Parfümerie erinnern. Die White Collection zeigt sich dagegen modern, kreativ und experimentierfreudig. Hier sorgen fruchtige, florale und süße Akkorde für molekülige, leichtere und spielerische Kompositionen.
Ylop – Sinnliche Nähe und polyamore Inspiration
Unser erster Kandidat von Sora Dora stammt aus eben jener White Collection: Ylop. Das Eau de Parfum soll eine Einladung sein, die Haut eines geliebten Menschen olfaktorisch zu erkunden. Ein Duft, der so nah, warm und sinnlich wirken soll wie eine vertraute Berührung. Kreiert wurde Ylop von Amélie Bourgeois, die hier die Ingredienzien Aprikose, Apfel, Tee, Osmanthus, Rosmarin, Mandel, Sesam, Vanille und Vetiver vereint.
Der Name Ylop ist übrigens einfach das Wort „Poly“ rückwärts geschrieben und verweist so auf die Idee von Vielstimmigkeit und Vielfalt in der Liebe. Damit sind insbesondere polyamoröse Beziehungen gemeint, also solche, die mehr als zwei Menschen einschließen und viele Formen annehmen können. Dieses Konzept soll Ylop in Duftform übertragen: vielschichtig, facettenreich und offen für unterschiedliche Interpretationen von Nähe und Intimität.
Das Parfum fängt wahrhaftig die Aura eines geliebten Körpers in einem Flakon ein und bietet uns zugleich das gesamte Spektrum unserer romantischen Geschichten. Mal sind es Noten, die von einem einzigen Körper widerhallen, mal Spiegel von Millionen anderer Menschen. Ylop schwankt zwischen seiner Inspiration – Poly – und seinen zahlreichen Einzelelementen – polyamorös.
Fruchtig und lieblich eröffnet Ylop seinen Duftverlauf und wirkt dabei wie in warmes, bernsteinfarbenes Licht getaucht – eine Stimmung, die die Visuals perfekt einfangen. Die samtig-weichen, cremigen Facetten verschmelzen mit süßen Fruchtnoten, die sich dabei nicht eindeutig auf Aprikose oder Apfel festlegen lassen. Diese fruchtige Süße wird getragen von holzig-warmen und tiefgründigen Akzenten. Besonders spannend sind die nussigen Röstaromen des Sesams, die sich mit salzig-aromatischem Rosmarin verbinden. Dazu kommen dunkle Vanille und erdig-kühler Vetiver, die Ylop faszinierende und vielschichtige Facetten verleihen. Osmanthus rundet das Ganze mit einem sanft pfirsichartigen Blütenfinish ab und sorgt so für einen wunderbar harmonischen Abschluss.
Ylop ist komplex und nicht leicht einzuordnen: kein typischer Fruchtduft, kein klassischer Gourmand, sondern eine raffinierte Mischung aus fruchtigen, süßen und holzig-erdigen Elementen mit einer leicht likörigen Nuance. Transparent und modern-molekülig aufgebaut, aber dennoch mit guter Präsenz und Haltbarkeit, richtet sich dieser Duft an alle, die ruhige, sanfte und umhüllende Kompositionen schätzen. Für mich passt Ylop besonders gut in Herbst und Winter, funktioniert aber dank seiner Vielseitigkeit auch als Allrounder. Ein außergewöhnlicher Auftakt für diese kleine Beitragsreihe zu Sora Dora, die am Ende der Woche noch eine Überraschung bereithalten wird.
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