red_wood von Nomenclature – Giganten der Vorzeit

Ein seltenes Exemplar findet sich heute im Duft-Tagebuch, nämlich die Nischenduftmarke Nomenclature mit deren neuster Kreation red_wood. Selbstverständlich war das futuristisch anmutende Label mit den synthetischen Düften bereits häufiger im Duft-Tagebuch vertreten (nachzulesen hier), jedoch im Vergleich zu anderen Marken deutlich seltener. Der letzte Artikel zu Nomenclature ist nun auch schon wieder drei Jahre alt, was auf den ersten Blick nicht viel erscheinen mag, in unserer schnelllebigen Zeit aber eine halbe Ewigkeit sein kann.

Mammutbaum im Lenorenwald bei Kalkhorst
© Julia Biró

Wenn ich mir überlege, dass mein Jüngster nächste Woche schon vier Jahre alt wird … Wahnsinn! Mit Kindern merkt man doch sehr deutlich wie die Jahre ins Land ziehen, wie schnell die Zeit vergeht und wie flüchtig diese doch ist. Bald realisiert man dann, wie viele Lenze man selbst schon zählt und wundert sich, wie das so schnell und nahezu unbemerkt passieren konnte. Ich vermute mal schwer, dass ich damit nicht alleine auf weiter Flur stehe … Oder etwa doch? 😉

Unser heutiger Protagonist namens red_wood dreht sich dagegen um ein Lebenwesen, dass deutlich beständiger und langlebiger ist als wir Menschen, dass schon seit mehreren Millionen Jahren auf dieser Erde existiert und das somit als ruhender und ruhiger Gegenpol zu der eben von mir propagierten rasenden Zeit angesehen werden kann: der Mammutbaum.

Ein kurzer botanischer Ausflug

Der Riesenmammutbaum – oder auf schlau „Sequoiadendron giganteum“ – gehört zu den Nadelhölzern und kann eine durchschnittliche Höhe von knapp 100 m erreichen. Sie besitzen einen langgezogenen Habitus mit einer schmalen Krone und einem langen, umfangreichen Stamm, der häufig bis zu einer beachtlichen Höhe astlos ist. Das rot gefärbte Holz und die markante Rinde gaben dem Riesenmammutbaum den englischen Namen Redwood, wobei es verschiedene Mammutbaumarten gibt, die so genannt werden. Der Riesenmammutbaum ist in den bekannten Nationalparks wie dem Yosemite oder den National Forests zu finden und zu bewundern – mal nur einzelne Exemplare, doch mancherorts stehen auch ganze Mammutbaum-Wälder. In der Stuttgarter Wilhelma gibt es übrigens ebenfalls einige Exemplare, die dort im 19. Jahrhundert angepflanzt wurden – für alle Interessierten, die noch niemals einen der hölzernen Riesen gesehen haben und aus der Nähe kommen.

„Man wird auf mystische Weise in eine andere Existenzebene versetzt, in eine andere Dimension, so wie die Redwoods außerhalb der Zeit und außerhalb unseres gewöhnlichen Denkens zu sein scheinen. Die Mammutbäume hinterlassen, wenn man sie einmal gesehen hat, einen Eindruck oder eine Vision, die für immer in Erinnerung bleibt. Es ist nicht nur ihre unglaubliche Größe oder die Farbe, die sich vor unseren Augen zu verändern scheint, nein, sie sind nicht wie andere Bäume, die wir kennen, sie sind Botschafter aus einer anderen Zeit.“

John Steinbeck, amerikanischer Schriftsteller – 1962

Älteste Exemplare wie etwa der berühmte „President“, der in einem Schutzgebiet in der Sierra Nevada im US-Bundesstaat Kalifornien steht, sind mehr als 3000 Jahre alt. Die Bezeichnung „Botschafter aus einer anderen Zeit“ ist also durchaus schlüssig und wahr.

red_wood – Nomenclature

Der Parfümeur Frank Voelkl hat sich einmal mehr der Kreation eines Dufts für die Marke Nomenclature angenommen, gehen doch auf sein Konto die meisten der Kreationen des New Yorker Labels um das Duo Karl Bradl und Carlos Quintero. Nebenbei kennt man Voelkl auch als Parfümeur für andere Marken wie etwa Aedes de Venustas (auch von Kurt Bradl gegründet), Le Labo oder Kilian, um im Nischenduftsegment zu bleiben.

Für red-wood verwendet Frank Voelkl die Duftnoten Wacholderbeeren, Eukalyptus, Bergamotte, Sternanis, Alpenveilchen, Rose, Piment, Maiglöckchen, Wildleder, Patchouli, Moschus, Zedernholz und Labdanum (Zistrose). Der Pressetext betont den synthetischen Duftstoff Norlimbanol, der intensiv nach Hölzern riecht und ambriert-animalische Nuancen in sich trägt.

There’s no wood like red_wood

Soviel vorab: red_wood ist nicht von der gemütlichen Sorte, wenn es um den Duft geht. Direkt nach dem Aufsprühen ist man direkt drin, im Duft, in einer intensiv holzigen Atmosphäre, in der sich prickelnde Wacholderbeeren mit mentholartig-kühlem Eukalyptus vereinen, gebettet auf überaus trockenes Holz. Wirklich trocken. Fast schon latexartige Züge zeigen sich. Schwer bestimmbare Gewürze schillern im Hintergrund. Die Kühle des Sternanis meine ich im Zuge des Auftretens von Eukalyptus und Wacholder in der Kopfnote wahrgenommen zu haben.

Diese sind auch immer noch sehr dezent im Hintergrund erschnupperbar. Piment bringt eine leichte Schärfe in die üppigen und nach wie vor dominanten Holznoten, die dieses Flirren besitzen, das ich bei synthetischen Düften so häufig feststelle. Nach und nach gesellen sich sanftes Wildleder und erdiger Patchouli zu den Hölzern in red-wood, beruhigen den Duft ein wenig und lassen ihn – auch dank einem Hauch von Moschuspuder und einer Messerspitze Labdanum – ein wenig wärmer werden.

Nomeclature – red_wood

Schwer greifbar, ätherisch und strahlend ist red_wood, ein außergewöhnlich trockener Holzduft mit einer beständigen Frische und Kühle, die sich erst im Ausklang ein wenig erwärmt. Eine Kreation, die ohne Süße auskommt, die dem Rohstoff Holz huldigt. Der Name Rotholz passt übrigens prima, denn ich empfinde den Duft tatsächlich in Sienarot schimmert, eine Farbe, die ich persönlich zwar mit Wärme in Verbindung bringe. Nomenclature beweist aber, dass es sie auch in kühl gibt. Ein Must-try für Fans des New Yorker Labels und für alle, die würzig-frische Holzdüfte lieben.

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert