Ulrich Lang im Interview – New York, Backnang und zurück

Vor ein paar Wochen habe ich mit großer Begeisterung den neuen Duft Lethe von Ulrich Lang rezensiert (nachzulesen hier) und kam daraufhin mit Uli über eine der vielen sozialen Plattformen direkt ins Gespräch – via Chat wie das heute eben so läuft. 🙂 So entstand bei unserem virtuellen Plaudern bereits nach kurzer Zeit die Idee eines gemeinsamen Interviews.

Ein Interview, das theoretisch durchaus auch in einer Eisdiele in Backnang hätte stattfinden können, denn in Ulis Heimatstadt haben Harmen und ich mehrere Jahre lang gewohnt. Doch zum Zeitpunkt unseres Chats war er – nach einem Jahr in Backnang – bereits wieder nach New York zurückgekehrt und auch wir leben nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr in der Kleinstadt vor den Toren Stuttgarts.

Die Voraussetzungen für ein persönliches Treffen samt Eis waren also nicht die besten. Das hat uns aber natürlich nicht davon abgehalten, unser gemeinsames Interview dennoch durchzuführen. 🙂 Und so darf ich Uli mit großer Freude hier rein virtuell im Duft-Tagebuch willkommen heißen!

Ulrich Lang
Ulrich Lang

Lieber Uli, Du bist im März 2020 aus Deiner Wahlheimat New York in Deine Heimatstadt Backnang zurückgekehrt und etwa ein Jahr dort geblieben. Was war nach einer langen Zeit in einer Millionenmetropole für Dich besonders schön daran, wieder in einer Kleinstadt zu sein?

Für mich war die Umstellung generell sehr einfach, da ich eigentlich – seitdem ich in New York lebe – auch regelmäßig nach Europa und Deutschland reise. Aber fast ein ganzes Jahr wieder in meiner Geburtsstadt zu verbringen, hätte ich vor Corona nicht für möglich gehalten! Es war die längste Zeit seit meiner Schulzeit, die ich in Backnang – 30 km von Stuttgart entfernt – verbracht habe. Das Schönste war natürlich, näher bei meinen Eltern zu sein und meine Wurzeln wiederzuentdecken. Ich glaube, das Jahr in Deutschland hatte auch viele positive Seiten für mich. Ich lernte, wieder mehr selbst zu kochen und wieder Auto zu fahren und ich mag die kurzen Wege einer Kleinstadt sehr.

Dein Leben hat sich durch Corona sicherlich nicht nur geografisch um 180° gedreht. Was waren für Dich die größten Veränderungen und gibt es etwas, was Du in Zukunft gerne beibehalten möchtest?

Ich bin vor Corona viel zu viel gereist! Und erst durch die Vollbremsung habe ich erkannt, dass ich nicht überall sein muss, dass sich vieles auch per Video-Konferenz erledigen lässt. Ich werde nach der Krise sicher viel bewusster unterwegs sein, aber meine Lieblingsstrecke FRA-JFK und zurück werde ich beibehalten.

Ulrich Lang – Lethe

Wie war es, nach einem Jahr wieder nach New York zurückzukehren? Hat sich die Stadt verändert?

Es war fantastisch. Ähnlich wie Deutschland im März 2020 musste ich New York im März 2021 – als Staatsbürger und Green Card Holder wieder in die USA einreisen konnten – wieder neu entdecken. Die Stimmung war sehr optimistisch, obwohl man überall sehen konnte, dass New York von Corona sehr schwer getroffen war. Viele meiner Lieblingsrestaurants und -stores mussten für immer schließen. Aber die „Can-Do“-Mentalität der Amerikaner reißt einen mit und eine Stadt, die von der Veränderung lebt, wird sich auch nach der Krise wieder neu erfinden.

Deine neue Kreation Lethe ist eine Hommage an die Zweisamkeit und passt damit perfekt in die aktuelle Zeit. Kam die Grundidee zu Lethe während der Corona-Pandemie?

Ich hatte schon seit längerem an einem Duft gearbeitet, der mit dem Luxus der Einfachheit spielt – mit Noten aus Lavendel und Moschus. Beruhigende, intime Noten. Er passte perfekt zu dieser verrückten Zeit und wir alle sehnen uns nach Berührung. Lethe ist wie eine duftende Umarmung.

Kannst Du uns ein bisschen zur Entstehungsgeschichte von Lethe erzählen?

Wie bei allen meinen Düften steht an erster Stelle die Duftentwicklung. Und Duft ist ja schon immer eine Reflexion unserer Zeit. Bei Apsu – aus dem Jahre 2016 – war es mir wichtig, einen Gegenpunkt zu unserer viel zu schnellen Zeit zu schaffen, Lethe steht für Intimität, den Rückzug ins Private, leise und vertraut.

Ulrich Lang - Apsu

Gab es bei der Duftentwicklung besondere Herausforderungen – eventuell aufgrund der Pandemie?

Lethe wurde im Herbst 2020 in New York produziert und wir hatten glücklicherweise wenig Probleme. Allerdings finde ich es nach wie vor schwierig, ein Produkt in einer Pandemie zu lancieren, da wir alle ganz andere Probleme jonglieren müssen. Ich mag den Namen. Lethe war der Fluss des Vergessens in der griechischen Mythologie, wenn man aus ihm trank, konnte man alles um einen herum vergessen. Und auch beim Duft Lethe genügt ein Spritzer, um der aktuellen Zeit mit all ihren Problemen – zumindest für eine Weile – zu entkommen …

Hast Du bei der Kreation neuer Düfte bereits eine bestimmte Duftnote im Kopf, die im Zentrum stehen soll?

Sehr oft ist das so. Ich habe schon immer eine gute Nase und nehme viele Gerüche wahr. Viel Inspiration kommt bei mir auch durch Dinge, die ich esse oder durch mein visuelles Empfinden. Am Anfang kann dann eine abstrakte Idee stehen wie beispielsweise „something dirty“, was 2014 zum Einsatz von animalischen Noten bei Aperture führte. Oder der Gedanke, in einem Duft Frische zu erzeugen, ohne dabei zu viele Zitrusnoten einzusetzen, was in Lightscape aus dem Jahre 2012 durch Veilchenblatt und Galbanum gelang.

Mann vor Sonnenuntergang

Was macht das Duftlabel Ulrich Lang New York für Dich aus?

Ulrich Lang New York ist eine Fusion aus meiner Leidenschaft für Parfum und Kunst, insbesondere Fotografie. Mein Duft-Training hatte ich schon als Kind in der Parfümerie meiner Großmutter. Mein visuelles Training hatte ich dann bei dem Kunstportal artnet.com in den späten 1990er Jahren. Ich habe eine sehr gute Nase und ein sehr gutes Auge – beides fließt in die Duftkreation und das Packaging mit ein. Ich habe das Glück, mit den besten Kreativen im jeweiligen Feld arbeiten zu können und ich denke, der Konsument sieht und riecht dies auch.

Hast Du einen Signature-Duft?

Mein Signature-Duft ist Nightscape aus dem Jahr 2009. Ich liebe Patchouli und Nightscape ist ein sehr moderner, zeitgenössischer Patchouli-Duft. Im Sommer liebe ich Apsu und im Herbst 17 Nandan Road, der mich an Shanghai im Oktober erinnert, wenn Osmanthus die Stadt unwiderstehlich parfümiert.

Wie sehen Deine weiteren Pläne aus? Gibt es bald schon einen neuen Duft von Dir?

Klar – ich arbeite immer am nächsten Duft. Mehr dazu im nächsten Interview. 😉

Lieber Uli, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast.

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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