Von Martial Arts und surrealistischer Modefotografie…

…handeln die nächsten beiden Düfte von Agonist, jenen Schweden, denen wir dieser Tage folgen. Liquid Crystal, der erste Duft, den ich mir heute für Euch unter die Nase klemme, wird als „frisches orientalisches Parfum“ angepriesen, das „scharf und sauber ist wie das Schwert eines Samurai“. Was uns wohl erwartet frage ich mich – vor allem nachdem ich gestern mit Arctic Jade ungeahnte Kälte schnuppern durfte? Aber werfen wir zuerst einmal einen Blick auf die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Absinth, Gewürze, Gewürznelken, Orange; Herznote: Französischer Lavendel, Weihrauch aus dem Iran, Patchouli; Basisnote: Vetiver aus Haiti, Ambra, Tonkabohne, Labdanum, Libanon-Zeder.

Und in der Tat – der Kopf ist wach, hellwach, intuitiv und kraftvoll: Orangen und Weihrauch nehme ich wahr, von aromatisch-bitterem Grün umrankt und von einer gewissen Schärfe begleitet, was bei mir vorübergehende Assoziationen weckt. An Etros kühlen Messe de Minuit muss ich denken ob seiner Hesperiden-Weihrauch-Anmutungen, die überraschend in etwas ganz anderes überleiten – Zitronenbiskuit auf würziger Lavendelwatte. Dezente Gourmandtendenzen verströmt Liquid Crystal, die aber von der ernsthaft-majestätischen Lavendelgestalt dominiert werden. Dunkle Lavendelwürze, ätherisch anmutend mit einem (stetig wärmer werdenden) Hauch Keks, die sich bis in die Basis hält und den Charakter des Duftes ausmacht.

Scharf wie ein Schwert? Wohl eher nicht. Aber so besonnen und frei wie ich mir manchen Martial-Arts-Recken vorstelle… Ich denke da zum Beispiel an die großartigen Ip-Man-Filme der letzten Jahre, die dem Gründer des heutigen Wing Chuns huldigen. Wing Chun ist einer der berühmtesten Kung-Fu-Stile, vertreten unter anderem später von Bruce Lee, der natürlich auch Schüler von Yip Man war. Diese Leichtigkeit der Bewegung, diese intuitive, die sich scheinbar spielend aus sich selbst heraus entwickelt – und dabei auf höchstem Können, großer Disziplin und unfassbarer Konzentration beruht… ich finde das unglaublich faszinierend.

Bruce Lee Stencil

At a photo show

Liquid Crystal könnte dazu der richtige Duft sein, kommt er doch gleichermaßen leichtfüßig wie konzentriert daher, ruht in sich und wirkt gleichermaßen dynamisch, obgleich er auch meditative Anklänge besitzt. Nur eines sehe ich nicht – den orientalischen Einschlag. Kann wer helfen?

Onyx Pearl sieht sich inspiriert von der „faszinierenden Bildsprache des Fotografen Guy Bourdin“ und überzeugt uns mit seiner „vibrierenden und suggestiven Duftkomposition“. Guy Bourdin kenne ich, ein Revoluzzer der Modefotografie mit Vorliebe zur kühl-provokanten und Erotik sowie leichtem Hang zum (vielgestaltigen) Fetisch, gefördert von den Surrealisten und befreundet, wie geschickt, mit Schuhdesigner Charles Jourdan (hatte ich erwähnt, dass ich bitte auch gerne mit einem solchen befreundet sein möchte?) . Für mich als leider bisher nur rudimentär Fotokunstbewanderten irgendetwas zwischen Newton und La Chappelle mit einer Prise Man Ray und Terry Richardson (die Werbefotografien, nicht die Schmuddelbildchen…) Ich mag Guy Bourdin. Aber ob ich nun seine Bilder mit Onyx Pearl in Verbindung gebracht hätte?

Onyx Pearl brilliert ebenfalls wie Liquid Crystal mit Lavendel – auch hier fällt dem krautigen Freund die Hauptrolle zu, der aber in Onyx Pearl ganz anders interpretiert wurde als in seinem Vorgänger: Auch hier haben wir es mit einem äußerst kontemplativen Duft zu tun, der allerdings viel weniger Dynamik ausstrahlt als Liquid Crystal, sowohl auf meiner Haut als auch auf dem Teststreifen. Gleißend wirkt er, luzide und frisch, was nicht zuletzt an einem sehr hellen Oud liegt, das eine ähnliche Frische atmet wie die von mir so geliebten Nagarmotha-Oud-Düfte Steam Oud von Montale und Fars aus der Oud Stars-Kollektion von Xerjoff. Saubere Lavendelstrahlen in hellem lilablassblau, die weich die Nase kitzeln, von aromatisch-grünem Kardamom gesäumt. Im weiteren Duftverlauf machen sich die Teenoten bemerkbar, die Onyx Pearl von nun an tragen und die Herzen von Teeliebhabern zum Hüpfen bringen dürften. Die Basis ist samtig-weich von sachter Vanillewärme dank Tonkabohne und von Myrrhe dezent und warm akzentuiert. Und von irgendwoher, ich kann mir nicht helfen, kommt da ein Hauch Leder her…

Herb Ritts

Ambivalent ist er, der Duft, denn einerseits wirkt er recht konventionell, bietet aber auf den zweiten Blick jede Menge ungewöhnliche Reize. Ein Immergeher, der über genügend Markanz verfügt, um trotzdem als Statement gelten zu können. Aber einer, den ich nicht wirklich in Verbindung mit Bourdin bringen kann, allenfalls mit einzelnen Bildern. Ich sehe Onyx Pearl eher bei Herb Ritts, aber das mag Geschmackssache sein.

Habt Ihr schon getestet und wie seht Ihr das?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. 15. September 2012
    Antworten

    Wow, da zauberst du schöne Bilder vor meinem inneren Auge hervor! Lavendel und Leder – ungewöhnliche Kombination, klingt äußerst reizvoll. Ist es für dich eher ein Leder wie in Cuirelle, für mich sanft und süßlich, oder „knallhart“, wie für mich z.B. Cuir de Russie? Mit der letzteren Art von Leder komme ich nicht so gut klar.

    Auf Liquid Cristal (don’t chose a book by its cover, aber hey, der Flakon ist ein kleines Meisterwerk!) machst du mich ebenfalls neugierig. Mal wieder Dank des Lavendels, diesmal in Kombination mit gourmandiger Zitrone. Darunter kann ich mir noch nichts vorstellen, bin aber voller Erwartung.

    Danke für diese Vorstellungen, ich habe sie sehr gerne gelesen!

  2. Avatar photo
    Ulrike
    21. September 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Jana,

    weder noch – es ist ein kühleres Wildleder, weder knallhart noch süßlich. Es ist recht leise vorhanden, also nicht wahnsinnig dominant, eher hintergründig, insofern lohnt sich ein Test – auch, wenn Du vermutlich wärmere Lederchen lieber magst 😉 Kennst Du denn schon meine Lederartikel, die ich vor längerer Zeit einmal geschrieben hatte? Vielleicht ist da ja auch was für Dich dabei, wenn Du Leder gerne magst 🙂 Siehe hier:
    http://www.alzd.de/2010/02/25/ein-lederluder/
    http://www.alzd.de/2010/02/26/lederluder-die-zweite/
    http://www.alzd.de/2010/03/01/lederluden/
    http://www.alzd.de/2010/03/02/die-krachledernen-teil-2/

    Bin gespannt, wie Du die beiden Agonisten findest – würde mich freuen, wenn Du ein paar Zeilen hinterlässt, wenn Du sie getestet hast 🙂

    Liebe Grüße,

    Ulrike.

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