Der Göttervater…

…hat uns mal wieder reich beschenkt – oder vielmehr die, die sich nach ihm benannt haben: Der trendige Conceptstore Odin aus New York, der leider nur Männer mit seinen Klamotten bedient, hat uns zwei weitere Düfte beschert – Odin 06 und Odin 07. Einige werden jetzt sicher stutzen: Die szenigen Herrenausstatter hatten zuerst mit drei Düften gestartet, 01 Nomad, der jetzt Sunda heißt, 02 Owari und 03 Century. Hernach stieß Odin 04 hinzu – Petrana. Und jetzt geht es mit 06 weiter? Ganz recht – die Nummer Fünf hat man, ich betone: nicht ich, ganz nonchalant einfach weggelassen, aus Coolness- oder was weiß ich welchen Gründen. Ist mir völlig gleich, dann stürzen wir uns jetzt heute eben auf 06 und 07.

06 ist schon etwas länger lanciert worden und heißt Amanu. Woher der Name kommt weiß keiner so genau – man könnte ja meinen, er wäre dem gleichnamigem Atoll gewidmet, das irgendwo in Französisch-Polynesien vor sich hindümpelt. Daran geht die Beschreibung dann aber haarscharf vorbei, will ich meinen:

„The primitive ambiance of southern Mediterranean peaks combined with the ancient fertility of Anatolian soils brings forth a herbaceous blend of verdant galbanum and raw lentisque. The cortex of Amanu revolves around the woody rusticity of cedarleaf and the heady complexity of jasmine sambac. Rooting textures of amberwood, musk and live moss endow this earthy scent with a lush maturity.“

Die Kopfnote beißt mich zuallererst zitrisch-keck in die Nase, zeigt sich aber alsbald versöhnlicher dank minzig-frischem Galbanum. Mastixharz entwickelt wie häufig im Duftverlauf lavendelartige Anklänge und würzt, während ich darüber hinaus bitteres grünes Blattwerk vernehme – sollen das die benannten Zedernblätter sein? Ein changierendes Grün, herb, frisch, aromatisch schillernd und einen überaus lebendigen Eindruck suggerierend. Und wo sind die Blütchen? Wenn ich die Nase ganz tief in dem Duft versenke, vermag ich sie zu entdecken – irgendwo im grünen Dickicht. Jasmin, Magnolie – ich weiß nicht, ob ich sie anhand der zarten weißfloralen Süße erkannt hätte, die sich hier verbirgt. Obgleich die Agrumenfrucht Blutorange anfänglich so dominant war, bleibt im Duftverlauf nicht viel Zitrisches übrig. Vielmehr entwickelt sich der Duft zu einem komplexen Grünling, der mich an Six Scents Series 01 No. 03, Spirit of Wood erinnert sowie Reminiszenzen an Duchaufours Jardin du Poète für Eau d’Italie weckt (welcher allerdings deutlich kräuterlastiger ist). Ein frisch-grüner Duft, der ganz bestimmt ein schöner Begleiter für sommerliche Temperaturen darstellt.

Odin 07 hört auf den Namen Tanoke – erfahren wir ein wenig mehr dazu:

„The latest addition to Odin New York’s expanding fragrance library is the introduction of 07 Tanoke. Odin New York’s signature unisex fragrances mimic the exoticism of travel and demonstrate a modern approach to time-honored traditions by layering rich and complex notes. 07 Tanoke conjures the natural aromas of lush Californian landscapes near seaside terrains, amounting to a pure and recognizably American scent.“

Ein echter und erkennbar amerikanischer Duft? Ich gestehe, ich musste zuallererst an Popcorn denken (und somit im weiteren Sinne an die tollen Rummeplatzdüfte pc02 von Biehl Parfumkunstwerke und an Acqua e Zucchero von Profumum), dann an Coca-Cola, vertreten (und explizit so benannt) in dem bezaubernden Bubenparfumset Cedro Atlas von Nobile 1942 und dann an die ganze Sauberkeitswelle von Wie-frisch-geduscht-Parfums. Bei näherer Überlegung will das aber so gar nicht zu Odin passen, einem Shop, der eine beeindruckendes Modesortiment führt und bisher mit einem außerordentlich schönen, minimalistischen Duftportfolio brillierte.

Schauen wir uns den Duft doch einmal an: Kreiert wurde er von Corinne Cachen, die wohl über ein Jahr am Feintuning arbeitete, um die richtige Balance zwischen Stärke und Leichtigkeit zu finden. Man wollte nämlich beides – das knarzige Holz und das Wasser, angelehnt an Nordkalifornien.

Gut Ding will Weile haben – so auch bei Tanoke: Man hat es wohl beim W Magazine bereits in die Top Ten der Indie Fragrances geschafft. Mein Herz erobern Odin mit Tanoke, dem Naturburschen ebenfalls: Würzig, frisch, fruchtig, herb und pfeffrig zeigt sich der Knabe im Auftakt und lässt einen gleich ahnen, dass er bereit ist, einem zu zeigen, wo der Hammer hängt. Ingwer, scharf und fruchtig, von kantigem Pfeffer flankiert, und Bitterorange. Muskat würzt unterstützend, während sich eine ordentliche Portion Weihrauch über den Duft legt wie Nebel über einen See. Man ahnt es schon – ein See, kein offenes Meer. Und deshalb umringt von Bäumen, Bäumen, Bäumen. Holz satt ist hier die Devise, und Tanoke reizt das Thema ordentlich aus: Die Kombination von kühlem Weihrauch und Holz, vor allem Guajakholz ist beeindruckend, kühl, verhalten süß, immer noch pfeffrig und ziemlich entschlossen. Trotz allem ist Tanoke charmant – der Duft ist kein Grobklotz, vielmehr zeigt er sich auf der Haut als sensibler Mann-Mann mit Herz. Und ist, man höre und staune, deshalb meines Erachtens auch sehr gut für Frauen zu tragen. Darüber hinaus werde ich im Laufe des Duftes etwas gewahr, was mich erstaunt – einer über allem schwebenden sauberen Frische, die nach meinem Empfinden absolut passend ist, erinnert sie mich doch an die saubere Luft, die man in jener Landschaft erhaschen kann, der der Duft gewidmet ist.

Wie immer haben mich Odin nicht enttäuscht. Ich freue mich schon auf weitere göttliche Düfte!

Liebe Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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