Irgendwie läuft gerade etwas schief …

… in puncto Frauen in den Medien, in der Wahrnehmung, vielleicht auch hinsichtlich des Zeitgeistes?

In letzter Zeit ist es mir wirklich wieder vermehrt aufgefallen: Und zwar sowohl an Artikeln und Zeugnissen, an denen man einiges kritisieren kann und sich bei deren „Genuss“ die Haare rauft als auch an der Vielzahl von Blogartikeln, Postings und mehr, die eben genau das tun – durchleuchten, kritisieren, auf die Schippe nehmen.

furious

Petras Gagilas „Furious“ via FlickrCC BY-SA 2.0

Zuallererst fällt mir natürlich mein Unwort der letzten Wochen ein: „Problemzone“, gerne auch im Plural. Der Sommer hat sich doch noch entschlossen, uns mit seiner Präsenz zu beglücken – und schon sind sie wieder da, die vielen Ratgeberartikel in diversen Frauenmedien, die uns erzählen, wie wir zwecks „Bikinisaison“ unsere „Problemzonen“ zu bearbeiten haben, damit wir endlich (wieder?) eine „Strandfigur“ haben.

Das schöne Wörtchen „Problemzone“ gibt es schon eine ganze Zeit – Harmens Theorie dazu war, dass es irgendwann mal scherzhaft aufkam und dann seinen festen Sitz bezogen hat in unserem Sprachschatz, leider als überhaupt gar nicht mehr scherz- sondern sehr ernsthaft gemeinter Begriff. Vielleicht war ich dieses Jahr zu oft beim Arzt und habe zu viele Frauenzeitschriften gelesen. Vielleicht ist meine selektive Wahrnehmung auch einfach eine andere, da ich jetzt, mit Mitte 30, eben auch nicht mehr aussehe wie mit … 18. 20. Aber – mir stösst dieses Wörtchen wirklich auf. Proportionen – nicht Problemzonen! Und die sind nun mal sehr individuell. Klar, der eine oder andere könnte ein bisschen daran arbeiten, nichtsdestotrotz: Einen oder gar gleich mehrere Teile seines Körpers als „Problemzone“ zu sehen oder, schlimmer, sich von anderen erzählen zu lassen, dass das der Fall ist – das geht eben mal gar nicht. Wer sind wir denn, wir Frauen? Denn nur bei uns wird dieses Wörtchen angewandt – und meistens, da gebe ich Harmen recht, noch nicht einmal aus dem Munde oder der Feder von der Herrenwelt kommend, der ein paar Kilo mehr oder weniger meistens ziemlich schnuppe ist (wenn sie nicht sogar darauf abfährt). Ein Haufen desolat fehlerhaft konstruierter B-Ware-Technik aus irgendeinem Popelland? Nein, meine Damen. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen – erst recht nicht von unseresgleichen. Ein Hoch auf den neuen Hype der Models und Bloggerinnen mit Proportionen (die im übrigen auch einen zu diskutierenden Titel haben – „Plus Size“ …)!

In dasselbe Horn tutet auch der neueste Trend, Collarbone Challenge genannt – eine Kostprobe gefällig?

Siehe auch hier in der englischen Dailymail. Dort sieht man ebenfalls Fotos des Trends davor – Belly Bottom Challenge. Was muss man dafür können? Bei letzterer einmal mit dem eigenen Arm um sich herumgreifen. Wer dann an den Bauchnabel kommt ist der König, vielmehr – die Königin. Und vermutlich stark untergewichtig bis essgestört – nicht anders als bei der Collarbone Challenge: Sammle so viele Münzen (gerne auch andere Gegenstände, je mehr reinpasst, desto besser …) in Deinem Schlüsselbein. Bleiben sie dort liegen, bist Du die Schönste im ganzen Lande China – das hat uns diesen Bockmist nämlich beschert, der sich gerade vornehmlich über soziale Medien rasend verbreitet. Erinnert mich alles doch ziemlich an die ein wenig aus der Mode gekommenen Thigh Gap, die Oberschenkellücke. Liebe Leserinnen, schaut einmal an Euch herunter: Wenn Euer Partner welchen Geschlechts auch immer nicht mindestens einen Tennisball unter euren Genitalien hindurchwerfen kann, während ihr mit geschlossenen Beinen dasteht – tja, dann … seid Ihr wohl raus.

Thigh Gap

Bernhard Goldbach „Thigh Gap“ via Flickr – CC BY 2.0

Die Welt ist doch ziemlich krank manchmal, oder nicht?

Im Falle der Belly Bottom Challenge kam recht schnell eine Gegenreaktion, gestartet von dem sympathischen britischen Dessous-Label Curvy Kate – „Boobs over Belly Bottoms“ hieß die Aktion – siehe Buzzfeed -, die mich an Dove denken lässt, die „normale“ Frauen für ihre Werbungen verwenden (aber leider trotzdem Tierversuche machen – siehe Unilever und deren Stellungsnahme sowie die Erklärung, z.B. hier) oder Brigitte, die es auch mal mit Leserinnen als Models versuchten.

Als nächstes ist mir zu diesem Thema ein schöner Artikel in die Hände gefallen: Victoria Secret-Bademode an x-beliebigen Normalo-Frauen. Seht hier und hier. Unfassbar, wie unschön die Modelle an egal was für Frauen (Größe, Gewicht, Proportionen etc.) aussehen – und suggeriert wird uns mal wieder ganz anderes … Scheint wohl Bademode für Barbies zu sein – wo wir schon wieder beim nächsten Sujet sind: Der Anti-Barbie. Ihr Schöpfer, der Grafikdesigner Nickolay Lamm, hatte genug von den unrealistischen Maßen der Puppe (die laut Wissenschaftlern, übertragen auf eine Frau, überhaupt nicht lebensfähig wäre, da nicht ausreichend Platz für alle Organe da ist) und schuf eine Puppe, deren Maße er dem Durchschnitt einer 19jährigen Amerikanerin anpasste – „1,63 Meter groß, 68 Kilogramm schwer und 85 Zentimeter Brustumfang hat“, wie unter anderem die Welt berichtete. Als Accessoires gibt es dazu noch Aufkleber von Pickeln, Narben, Dehnungsstreifen – Mattel, dem Hersteller der Barbie war es definitiv zu lebensecht … Eine Barbie sei eben doch noch eine Puppe – das hätte nichts mit der Realität zu tun und das würden Kinder auch verstehen … Sicher – deshalb hat das Propagieren einer solchen Figur natürlich nicht Falsches an sich, liebes Mattel-Team.

Bei vielen Kindern kommt sie an, die Lammily:

Andere haben ganz offensichtlich schon zu viel mit Mattels Barbies gespielt:

Hoffentlich müssen diese Kinder später nicht jede Menge an sich herumschnippeln lassen, um sich selbst zu mögen, sich annehmen zu können. Denn „leider“ ist die normale Frau eben eine Lammily und keine Barbie!

Aber es gibt ja nicht nur die Optik, nein – bei Frauen ist auch etwas anderes scheinbar ganz wichtig: Allzeit bereit müssen wir sein. Und da wir das nicht sind, weil wir keine Maschinen sind, kommt sie jetzt endlich – die Lust-Pille für die Frau!

Ich zitiere den Artikel mal aus Aponet.de:

Bald Lustpille für Frauen auf dem Markt? Männern mit Potenzproblemen stehen zahlreiche Behandlungsoptionen zur Verfügung. Für Frauen mit Sexualstörungen sieht es da bisher eher mau aus. Das könnte sich ändern, denn in den USA soll der Wirkstoff Flibanserin als Medikament zugelassen werden, der das sexuelle Verlangen von Frauen vor den Wechseljahren steigert.

Ein Expertengremium der obersten US-Arzneimittelbehörde, der FDA, hat sich für die Zulassung von Flibanserin als Medikament, das den weiblichen Sexualtrieb steigern soll, ausgesprochen. Die Entscheidung war umstritten, denn diesem Wirkstoff war in den letzten Jahren bereits zweimal der Marktzugang verwehrt worden. Damals zweifelte man an der Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneistoffs. Erst jetzt überzeugten die eingereichten Daten die Mehrheit der Expertenkommission. Flibanserin war ursprünglich in Deutschland als Antidepressivum entwickelt worden, aber dann hatte ihn eine US-amerikanische Firma gekauft.

Flibanserin wirkt anders als die für Männer bestimmten „Lustpillen“ mit Wirkstoffen wie Sildenafil, Vardenafil, Avanafil oder Tadalafil. Diese verändern den Blutfluss im Penis, indem sie die Blutgefäße erweitern. Flibanserin beeinflusst dagegen den Stoffwechsel verschiedener Nervenbotenstoffe wie Serotonin und Dopamin im Gehirn. Wie genau es zu der luststeigernden Wirkung kommt, ist jedoch nicht ganz klar. Ein weiterer Unterschied zu den Präparaten für Männer besteht in der Einnahme: Flibanserin muss täglich eingenommen werden, um seine Wirkung zu entfalten – Sildenafil & Co. dagegen nur bei Bedarf. Noch ist nicht festgelegt, wann das Präparat in den USA erhältlich sein wird. Bisher gibt es erst das Votum des Expertengremiums, dem die FDA jedoch meist folgt. Ob ein Zulassungsantrag in Europa folgen wird, war vom Hersteller zunächst nicht zu erfahren.“

Zuerst als Antidepressivum entwickelt und dann als luststeigerndes Mittelchen entdeckt – perfekt! Da meckern wir schon nicht jeden Tag, haben gute Laune, Lust und Leidenschaft. Klar, Nebenwirkungen hat das ganze auch – siehe diesen bemerkenswert unkritischen Stern-Artikel – aber hei, sei es drum … Solch einen Blödsinn hat sich, diesmal ganz bestimmt, sorry, ein Mann einfallen lassen.

Sybille Berg hat die Lustpille in ihrer Kolumne auf Spiegel Online sehr hübsch aufs Korn genommen – seht hier. Der Anfang fasst mein „Problem“ damit gekonnt zusammen:

„OMG. Die Lustpille für die Frau ist da – klarer Fall von Mit-den-Händen-Wind-ins-Gesicht-Wedel. Hoffentlich gibt es sie bald bei uns, dann können wir alle endlich wieder richtig ausufernd Geschlechtsverkehr haben, dann können sich Paare nach 30 Jahren endlich diesen lästigen Swingerklubbesuch sparen (ich bekomme das Wort Gonokokken-Salat nicht aus dem Kopf), dann kann man endlich wieder ein richtig schönes Nümmerchen schieben und alles um sich vergessen.

Die Pillen mit Drogen kombiniert wären noch großartiger. Damit die Damen, wenn sich sexuelle Lust einstellt, auch vergessen können, wie albern es ist, Torben nach 30 Jahren Ehe anzuspringen.“

Ganz ähnlich, nur nicht ganz so, sagen wir mal: fokussiert, sollte im übrigen auch das „Frauengold“ aus den Fünfzigern wirken – ein netter kleiner Artikel bei Spiegel Online Eines Tages erzählt uns davon, selbstredend inklusive Werbevideos.

Jetzt habe ich mich ganz schön in Rage geschrieben, gell? Nervt es Euch denn auch?

Dafür gibt es noch etwas Schönes zum Abschluss: „Sex in the Sahara“, eine Fotoserie bei Dailymail – Wunderschöne Bilder von Tuareg-Frauen, jenem matriarchalisch geprägten muslimischen Stamm.

Einen schönen Tag und viele Grüße,

Eure Ulrike.

P.S.: Sehr nett zum Thema Skinny Jeans und deren Alltagsgefahren – eine Mode, die auch mal im Krankenhaus endet; siehe Spiegel Online.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

5 Kommentare

  1. 1. Juli 2015
    Antworten

    You made my day! 🙂

    Ja, auch mich nervt es, liebe Uli, vielleicht mich als XXL-Vollweib noch ein bißchen mehr. Die Krux ist ja aber auch: darüber empören dürfen sich nur XS-Frauen, ihnen sieht man das nach und es wird nicht sofort die Neid-Keule geschwungen.
    Und – dass das ganz gewaltig etwas schief läuft zeigt auch der Hashtag #brelfie und die Berichterstattung dazu. Wenn Sex sells, dann ist alles erlaubt, das echte Leben wird aber offensichtlich als anstößig empfunden. Kranke Welt!

  2. Waltraud
    2. Juli 2015
    Antworten

    OMG! Collar-bone, das kenne ich bisher nur als „Salzfässchen. Und wenn man keine dicke ältere Frau ist, wie ich, dann hat man sie. Und leider werden sie tiefer, wenn man im Alter relativ schlank bleibt, weil alles sackt! Also in ca. 10 Jahre schlage ich mal schlapp all die schönen Girls in China. Aber….dann bin ich – äh – 77, Nee, näh? Das zeige ich dann nicht mehr, weil es häßlich ist.
    Und was habe ich mich als Teeny wegen meiner o-igen Beine Kummer gemacht. Damals galt das als topfhässlich. Heute wäre ich damit in? Wie häßlich.
    Und warum ist die Pille für Frauen nach den Wechseljahren nicht vorgesehen? Finde ich ungerecht. Obwohl, wenn ich überdenke, irgendwo und irgendwie hat frau doch auch Würde und vielleicht – die Außenwirkung von so einer sprillen Alten ist vielleicht auch für Männer abturnend? Und dann will ich nicht so fremdgesteuert reagieren.
    Ich gehe jetzt ein bisschen Sterne gucken, Venus steht als Sichelmond und Jupiter dicht dabei, soooo schön!

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    Ulrike Knöll
    7. Juli 2015
    Antworten

    Ich bin wirklich froh, dass ich mit meinem Missmut diesbezüglich NICHT alleine bin meine Lieben!

    Und BeachBody#notsorry ist wirklich klasse – was für eine schöne Frau, wow!

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