Dornröschen…

kam mir als erstes in den Sinn: Wachgeküsst nach langen Jahren – und sieben herrliche Parfums im Gepäck!

Oriza L. Legrand ist der Name des altehrwürdigen Hauses, das man nach einem langen Dornröschenschlaf wieder zurück ins Leben beförderte – welch ein Glück.

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Ich könnte euch die Geschichte jetzt zusammenfassen – allerdings wäre sie dann vermutlich auch nicht viel kürzer als die Beschreibung zur Firma selbst, die folgendermaßen bei uns im Shop zu lesen ist:

„Im Jahre 1720, während der Regentschaft Ludwigs XV., gründete der königliche Parfumeur zu Hofe Jean-Louis Fargeon das Haus Oriza, zu einer Zeit, als man in Europa den Hof auch den „parfümierten Hof” nannte. Oriza genoss das Vertrauen des illustren Königs Ludwig XV. von Frankreich. Das Unternehmen war der offizielle Hoflieferant des Königs, und Fargeon wurde zugleich der persönliche Parfumeur von Königin Marie-Antoinette.

Über die Jahre erhielt das Haus die königliche Befugnis, Körperpflege und Düfte an die königlichen Höfe von Frankreich zu liefern, ebenso an den Hof von Italien, England, den kaiserlichen Hof von Napoleon III. sowie Russland. Der Name des Hauses stammt von Oryza Sativa, dem lateinischen Namen von Reis, welcher Bestandteil von Reispuder, Schminke und Perücken war.

Dann, im Jahre 1811, übernahm Louis Legrand das Haus, da er dessen Potenzial und Ansehen erkannte. Was die Duftkreationen angeht, brachte er es zu seiner vollen Bandbreite. Legrand verhalf Oriza zu Ruhm und eröffnete eine Boutique in der Pariser Rue Saint-Honoré. Er kreierte die feinsten, exquisitesten und komplexesten Produkte. Legrand war ein wahrer Duftkünstler. Einige Zeit später kam Antoine Raynaud als Partner ins Unternehmen. Legrand verkaufte es ihm schließlich, dieser benannte es in Oriza L. Legrand um, aus Respekt vor dessen ersten beiden Besitzern und der glänzenden Geschichte, die dem Haus zuteilgeworden war.

1887 patentierte und produzierte die Firma Oriza L. Legrand das erste Duftbalsam der Welt, „Essence Oriza Solidifiée“, für die großen Häuser Europas und war damit einer der ersten Parfumhersteller, der seine Duftlinie durch verwandte Produkte erweiterte. Denn von den meisten der Parfums gab es bei Oriza L. Legrand auch ein Puder, Make-up, Seifen und viele duftende Accessoires.

Raynaud entwarf außerdem seine eigene, edle Verpackung und arbeitete mit Baccarat zusammen, die die Flakons für seine repräsentativen Lancierungen herstellten. Raynoud verließ die Faubourg Saint-Honoré, um Geschäfte im Boulevard de la Madeleine 9 und auf dem Place de la Madeleine 11 zu eröffnen, wo Baccarat aktuell zu finden ist, was wiederum zeigt, wie wichtig das Haus in der Zwischenzeit geworden war.

Das Haus Oriza L. Legrand nahm erfolgreich an internationalen Ausstellungen teil und wurde regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet, von der Bronzemedaille der Weltausstellung in Paris (1867) bis hin zum Grand Prix im Jahre 1900. Um die Jahrhundertwende wurden 90% der Produktion ins Ausland verlegt. Heute wird Oriza L. Legrand wieder in Frankreich hergestellt und arbeitet mit kleinen Unternehmen im ganzen Land zusammen. Rohmaterialien von höchster Qualität werden eingesetzt, gefolgt von den kunsthandwerklichen Methoden. Oriza L. Legrand ist stolz, Archive aus vier Jahrhunderten zu öffnen und der Welt diese glorreiche Duftgeschichte zu präsentieren.“

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Ich bin so unglaublich gespannt, mit Euch diese schöne Marke zu entdecken, über die ich schon so viel gelesen habe – unter anderem hier bei Fragrantica in dem Artikel von Serguey Borisov sowie dem von Ida Meister.

Bevor wir uns sofort auf die Düfte stürzen – die Webseite von Oriza L. Legrand ist wirklich liebevoll gemacht, seht sie Euch ruhig einmal an! Was die Düfte angeht, habe ich mich entschlossen, chronologisch vorzugehen: Alle sieben momentan verfügbaren Düfte sind Neulancierungen alter Klassiker des Hauses. Somit beginnen wir heute mit Rêve d’Ossian, ursprünglich aus dem Jahre 1900:

„Der Ossianismus war eine romantische Stilrichtung der Poesie im Europa des 19. Jahrhunderts. Ossian war der Erzähler und angebliche Autor eines keltischen, epischen Gedichtzyklus’.

Ossian übte großen Einfluss auf die romantische Bewegung am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert aus. Die Gedichte erlangten Weltruhm (Napoléon Bonaparte war ein begeisterter Anhänger) und viele Schriftsteller, Maler und Künstler wurden von diesem Werk beeinflusst, wie etwa Gemälde von Ingres, Schuberts Musik und die Parfums von Oriza L. Legrand.

Das Werk wurde begeistert von der aufstrebenden romantischen Bewegung aufgenommen sowie von den Anhängern der Theorie des „Edlen Wilden“.

Rêve d’Ossian oder Ossians Traum ist ein ätherisches, traumartiges Parfum, bevölkert von Feen, Pixies und den Helden der keltischen Mythologie. Dunkle und kostbare Holznoten wurden mit Sandelholz und Weihrauch kombiniert, um die Idee des geheimnisvollen Waldes hervorzuheben, während balsamische Noten und Leder Wärme spenden. Durchdringend und fesselnd verbindet Rêve d’Ossian die dunkelsten Rohmaterialien mit den edelsten.“

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Oh Gott, oh Gott… schon die allerersten Noten nehmen mich gefangen: Frisch aufgesprüht entfaltet sich sofort ein Bild, ein dreidimensionales, auf meiner Haut – der Duft steigt empor, gewinnt an Raum und fasziniert mich so auf Anhieb. Kiefernnadeln und Wald nehme ich war sowie kühlen Weihrauch… Die Kiefernnadeln zeigen sich dunkelgrün und überaus authentisch, bezaubern mich somit umgehend, weil sie mich wie sonst nur Annick Goutals Noël an Nadelwald erinnern, an Tannenzweige. Weihrauch kühlt und zeigt sich rauchig – irgendwie fühle ich mich an diesem Punkt an einen Caspar David Friedrich erinnert, der in der Dämmerung durch den Wald zu einer einsamen Kapelle wandert.

The little forest chapel

Wer jetzt an Etros Mitternachtsmesse Messe de Minuit denkt – … geht fehl: Rêve d’Ossian zwingt einen nicht in die Knie mit einem übermächtigen Weihrauch, der einen andächtig die eigene Endlichkeit und letztendlich auch, ja, Nichtigkeit spüren lässt, nein. Der weitere Duftverlauf ist – ein Ankommen. Ein Ankommen in Geborgenheit. Beschützt werden. Angenommen sein. Warmer und milchiger Zimt von würzig-cremiger Tonkasüße umfängt und liebkost meine Nase, zart wabert es süß-rauchig um mich herum. Trockenheit, staubige, umgibt mich, der Erhabenheit eines alten Gebäudes gleich, während die majestätischen Ledernoten mich sofort an alte Bücher erinnern. Vielleicht doch… eine alte Bibliothek? Ein Kloster?

In jedem Fall wird Rêve d’Ossian immer behaglicher und ich sehe mich irgendwo sitzend in einer alten Bibliothek in einem Turmzimmer vor dem offenen Feuer, behaglich in eine wollene Decke gekuschelt auf dem Ledersofa, lesend. Und träumend… Denn je weiter der Duft sich entwickelt, desto weniger Weihrauchkühle bleibt erhalten, vielmehr wärmen die vorhandenen Harze samt Ambra den Duft, stiften sogar verhalten pudrige Akzente, die sich sanft über den kühlen Rauch legen.

Hartham Park Library

1900 als Geburtsjahr dieses Duftes? Ein Nadelweihrauch, der dann mit pudrig-süßem Harzrauch und Leder brilliert? Für Frauen? Wirklich? Da scheint mir jemand ein echter Visionär gewesen zu sein. Was mein Beeindrucktsein aber noch deutlich steigert, ist, dass der Duft genauso auch als aktueller Duft hätte lanciert werden können – keine Spur Altersmuff, keinerlei Oma-Attitüde, ganz im Gegenteil: Der kontemplativ-ruhige und doch auf eine Art erotische Rêve d’Ossian passt perfekt in unsere Zeit.

Chapeau – ich ziehe meinen Hut. Und bin sehr gespannt auf den Rest der Kollektion von Oriza L. Legrand! Ihr auch?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Isabelle
    4. Februar 2014
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    wie schön, dass Oriza Legrand bei ALZD im Sortiment ist!
    Letztes Jahr hier im Blog (02.01.2013) hatte ich dieses Haus erwähnt: „Das Duft Haus, das mich neugierig macht (geht es wirklich um eine „altes historisches Duft Haus Wiederbelebung“ oder nur um Marketing Kramm?): Oriza Legrand Parfums.“
    Heute freue ich mich zu lesen, dass du Oriza Legrand so sehr schätzt!!!
    Mittlerweile hatte ich es geschafft, 4 Proben zu erhalten: Rêve d’Ossian und Relique d’Amour sind meine Lieblings (ich finde, sie haben was ähnliches mit Sideris und Exultat von Maria Candida Gentile – stehe ich voll daneben?) , Oeillet Louis XV und Voilà le Printemps (den mag ich auch sehr). Es fehlen mir noch 3 Düfte: dass ist eine wunderbare Nachricht und ich bin auf deine 7 Rezensionen absolut gespannt!
    Vielen, vielen Dank!
    Viele liebe sonnige Grüße!
    Isabelle

  2. Waltraud Seemann
    4. Februar 2014
    Antworten

    Ich habe sie alle getestet und es sind sehr komplexe Düfte. Nicht so einfach zu erfassen. Dank des Hauses hier kann man preiswert einen ganzen Duftprobenset erwerben. Es lohnt sich!!! Bitte verzeiht mir: Rêve d‘ Ossian ist für mich ein Gruftiduft und für Gothics. Ich rieche nur kalte alte Krypten, Erdhöhlen. Kein warmer Bibliotheksduft. Als ich ihn testete hatte ich sofort alte Krypten im Kopf mit Steinsärgen, Epithaphien….kalte alte Kirchlein. Ein Duft um Stimmungen zu erzeugen, riechen wie in einer alten unbewohnten Burg – oder Ähnliches. Es ist ein spannender Duft, man sollte ihn zumindeset getestet haben.
    Schönen Tag noch, liebe Grüße

  3. Mareike
    4. Februar 2014
    Antworten

    Mir geht es wie Waltraud: Ich habe auch alle sieben getestet und Rêve d’Ossian liegt mir ebenfalls am wenigsten. Zuviel Weihrauch und kalte Mauern für meinen Geschmack. Aber ich glaube, dass er bei Vielen gut ankommen wird, weil er wirklich sehr inspirierend ist und sofort interessante Bilder entstehen lässt.

    Das geht mir bei den sechs anderen Legrand-Düften aber genauso. Am besten gefallen mir Relique d’Amour und Horizon, das sind meiner Nase nach jene Düfte aus der Reihe, die am wenigsten morbide sind. Vieles an Legrand lässt in mir Bilder entstehen, die gruselig sind: Verlassene Kirchen, blasse Körper im Moos, neblige Lichtungen, knorrige Winterbäume, frisch ausgehobene Friedhofserde, weiße Lilien.
    Das hat seine ganz eigene Ästethik, ganz klar. Aber meins ist es meistens nicht. Ich will doch nicht nach meiner eigenen Beerdigung riechen. Aber ab und zu mal dran schnuppern und staunen, das will ich überraschend oft.

  4. Avatar photo
    Ulrike
    24. März 2014
    Antworten

    Ist mittlerweile bei jemand von Euch ein Duft aus der Kollektion eingezogen? Ich bin gespannt!

    @ Isabelle: Ich denke, ich kann auch eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Handschrift der von Dir genannten MCGs und den Oriza-Düften sehen, ja 🙂

    Liebe Grüße,

    Ulrike.

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