Making Scents…

ist der Name des ersten Videos der zur IFRA (International Fragrance Association) gehörenden IFRANA (IFRA North America). Hier wird in nettem Comic-Stil erklärt, wie Düfte gemacht werden und was so darin landet. Dast stellt im Übrigen mittlerweile ein Problem dar, welches an einer Stelle des Films deutlich wird: Verantwortlich dafür ist der IFRA-Code of Practice. Dieser ist die verbindliche Grundlage für die Herstellung und Weiterverarbeitung aller Duftstoffe und deren Anwendung. Die Einhaltung desselben ist Grundvoraussetzung für alle Parfumhersteller, die Mitglied des IFRA sind oder diesem mittels nationaler Verbände angeschlossen sind. Die meisten weiterverarbeitenden Hersteller wie z.B. jene von Hygieneartikeln oder Haushaltsprodukten erwarten Produkte gemäß des IFRA-Standards, welcher weltweit gültig ist.

In den letzten Jahren kam die IFRA unter Parfumliebhabern wegen den darin enthaltenen sehr restriktiven Vorschriften unter Verruf: Sie hatte Anfang des Jahres 2010 erweiterte Vorschriften erlassen, die den Einsatz etlicher natürlicher und in vielerlei Parfums verwendeter Duftstoffe entweder strikt verbot oder erheblich reduzierte, was viele Duftfans und Parfumeure auf die Barrikaden trieb. Deren entrüstete Bemühungen waren, obgleich meines Erachtens nach zu Recht angesichts des “Regulierungsterrors”, von dem zu lesen war, leider umsonst. Was hätte mit Warnhinweisen wie z.B. auf Lebensmitteln gelöst werden können (“Kann Spuren von X enthalten”) hat bereits einige Düfte vom Markt verschwinden, andere reformuliert unkenntlich werden lassen.

Sicher gibt es einige Duftstoffe, die heutzutage nicht mehr verwendet werden können – weil sie tierischen Ursprungs sind und wir Gott sei Dank heutzutage andere Tierschutzgesetze haben (die, nebenbei bemerkt, immer noch nicht streng genug sind für meinen Geschmack). Oder weil es einfach nicht mehr den passenden Rohstoff dafür gibt, vielleicht auch nicht in der nachgefragten Menge und/oder in gleichbleibender Qualität.

Von der IFRA-Regelung sind aber leider nicht nur Exoten betroffen, Duftstoffe, die kaum zum Einsatz kommen. Es sind vermehrt die ganz gewöhnlichen Stoffe wie zum Beispiel Eichenmoos oder Bergamotte, die grundlegend sind für Duftfamilien wie die der Fougère- und Chypre-Düfte und damit in Klassikern wie zum Beispiel Guerlains Mitsouko verwendet werden. Dem wurde nun ein Riegel vorgeschoben: Mit dem Zusatzartikel 43, der am 01. Januar 2010 in Kraft getreten ist, ist es mit dem Spaß vorbei. Eichenmoos wird beispielsweise nur noch in einer Konzentration von bis zu 0,03 Prozent zugelassen, da es über zwei Moleküle verfügt, die die Haut reizen können und bei einer verschwindet geringen Menge an empfindlichen Menschen zu allergischen Reaktionen führen kann. Jenes Klientel könnte im übrigen auch auf Ylang-Ylang reagieren, auf arabischen Jasmin (Jasminum Sambac) und auf vieles andere auch. Deshalb beschützt man nun die Menschheit vor ihnen. Viele Häuser haben bereits vor Jahren auf die ersten Warnzeichen und bereits vor Jahren an den Rezepturen gedreht – Guerlain beispielsweise hat seine Düfte schon 2006 angepasst, was diverse Duftfans zum Bunkern veranlasste.

Luca Turin, Nasenpapst und Verfasser des lesenwerten Buches „Perfumes – The Guide“ bezeichnete diese Entwicklung Mitte 2010 in einem seiner Duftnoten-Artikel für Folio, das Magazin der Neuen Züricher Zeitung, als „Katastrophe“ und als „offiziellen Tod der Kunst der Parfumerie“. Und hat sowohl Gegenargumente als auch die passende Lösung parat, auf die leider niemand gehört hat:

„Man gewinnt den Eindruck, als sollten Düfte demnächst nicht mehr von Parfumeuren, sondern von einem Expertengremium der EU komponiert werden. Was tun? Es ist vollkommen sinnlos, die Logik der EU in Frage zu stellen, und zwar aus folgendem Grund: Parfum hat keinen nachweisbaren Nutzen ausser Schönheit. Schönheit kann nicht von Umweltchemikern gemessen werden, sie kann, wie man fairerweise zugeben muss, überhaupt nicht gemessen werden. Im Fall von Arzneimitteln wägt man die positiven gegen die negativen Wirkungen ab und nennt die negativen «Nebenwirkungen». Aber wo es keinen nachweisbaren Nutzen gibt, muss jedes Risiko unannehmbar hoch erscheinen – als ob man eine Zahl durch null teilen würde: Es kommt immer unendlich dabei heraus.

Natürlich muss die Zusammensetzung von Hautcrèmes und Shampoos geändert werden, aber Parfums im engeren Sinn sind etwas anderes. Für sie gibt es nur eine, wunderbar einfache Lösung: Die Firma Guerlain, die durch diese Gesetzesänderungen am meisten zu verlieren hat, müsste die Federführung übernehmen und, erstens, Mitsouko in seiner alten Pracht wiederherstellen (es ist witzlos, weiter daran herumzudoktern) und, zweitens, einen kleinen Hinweis auf das Flacon kleben: Nicht auf die Haut sprühen!“

Was für ein Verlust, dass wir nun im Laden nie wieder Mitsouko kaufen können, nie wieder Youth Dew, die Carons und etliche mehr – Octavian Coifan listete in seinem Blog 1000 Fragrances beispielhaft betroffene Düfte auf.

Ich fühle mich wirklich gegängelt, habe natürlich damals auch Hamsterkäufe getätigt und ärgere mich noch heute über die bereits umgesetzte Regelung, das Kleinbeigeben der Parfumindustrie und die Bevormundung von seitens irgendwelche EU-Bürohengste. Ich bin selber groß und würde gerne für mich entscheiden, von welchen Ingredienzen ich mir wo Pickel machen lasse. Oder wie seht Ihr das?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Margot
    21. Juli 2011
    Antworten

    Liebe Uli,
    mit dem Schutz der Tiere und den durch sie gewonnenen Stoffen (z.B. Zibet) steh ich voll dahinter und ich bin der Meinung, dass man das sehr gut inzwischen auf chemischem Weg erreicht.
    Natürlich muss sehr viel rumexperimentiert werden, wenn man einen Duft auf Grund dieser Vorschriften reformulieren muss. Dann bleibt einem nur noch die Erinnerung an das Original. In Sachen Eichenmoos, da gab’s hier doch schon mal einen Artikel im Blog, in dem beschrieben wurde, dass Eichenmoos eigentlich ein Pilz ist, oder täusche ich mich? Und verständlich für den Menschen, dass Pilze im Körper Unheil anrichten können. Und wenn man von Allergien ausgeht, denke ich dass man von ALLEM eine bekommen kann, daher finde ich es unnütz, das auf Verordnungsebene zu reduzieren und zu dramatisieren. Und ja, es ist meine Entscheidung von was ich mir Pickel hole. Und wenn ich die nicht haben möchte, mache es wie in der Empfehlung von L. Turin und benutze es als Raumspray 🙂

    Ist aber schön, dass Du einmal auf diese Thematik eingegangen bist und ich nicht immer nur meine Liste fortführen muss, was ich unbedingt testen muss, somit hab ich heute Pause. Uff

    Ganz liebe Grüsse,
    Margot

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