Gilding the Lily

Auf zu einer neuen Runde der Vergessenen – es harren derer noch so viele in meinen Schubladen, da ich, vor allem im Winter, nie hinterher komme, Euch alle Neuerscheinungen vorzustellen, die ich eigentlich hier zeigen mag.

Zwei weitere Kandidaten, die bisher von mir ganz unberechtigt und vollkommen zu Unrecht nicht rezensiert wurden, sind Inekes neuer Duft Gilded Lily sowie Laboratorio Olfattivos Nirmal – das werde ich heute und morgen nachholen.

Gilded Lily ist, wie unschwer zu erraten, Inekes siebter Duft, denn die Dame schafft gerade ihr eigenes Alphabet der Düfte und ist jetzt beim Buchstaben G angelangt. Wie immer zeigt sich die in San Francisco lebende gebürtige Kanadierin literarisch bewandert: Der Name ihres neusten Streiches geht auf den Ausdruck „Gilding the Lily“ zurück, was soviel heißt wie „die Lilie vergolden“.

Jener wird auf William Shakespeares 1595 entstandenen King John zurückgeführt, geht aber auf ein falsches Zitat zurück – die Originalstelle lautet:

„To gild refined gold, to paint the lily, to throw a perfume on the violet, to smooth the ice, or add another hue unto the rainbow, or with taper-light to seek the beauteous eye of heaven to garnish, is wasteful and ridiculous excess.“

Auf Deutsch nach der Wielandschen Übersetzung, online dank Projekt Gutenberg: Akt 4, Szene 2, Auftritt Salisbury:

„Dieser doppelte Pomp einen Titel zu befestigen, der vorhin schon sicher war, ist eben soviel als feines Gold übergülden, die Lilie weiß färben, die Viole parfumiren, das Eis glätten, den Regenbogen mit einer neuen Farbe bereichern, und dem schönen Auge des Himmels durch ein Fakel-Licht einen höhern Glanz geben wollen; es ist vergebliche Verschwendung und lächerlicher Ueberfluß.“

Wie bereits hier zu ersehen ist der Terminus „Gilding the Lily“ mitnichten positiv gemeint, ganz im Gegenteil: Er bezeichnet, das lässt sich einhellig feststellen, das Bestreben, etwas bereits Schönes oder auch Perfektes noch weiter verzieren und/oder verbessern zu wollen – und damit meist zu verschlimmbessern, zu verunstalten, was mich an das wunderschöne Zitat aus Terre des Hommes – Wind, Sand und Sterne von Antoine de Saint-Exupéry erinnert, das wohl auch den Bauhäuslern gefallen haben muss:

„Perfektion ist erreicht, nicht, wenn sich nichts mehr hinzufügen lässt, sondern, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“

Ehrlicherweise kann ich die Beweggründe nicht verstehen, weshalb Ineke Rühland vor diesem Hintergrund auf jenen Ausdruck zurückgreift und ihn auf die Parfumeurskunst anwendet:

„Für Ineke“ lässt das Pressematerial verlauten, „ist er eine passende Allegorie für das Parfümhandwerk generell, da Parfümeure grundsätzlich versuchen die Schönheit der Natur noch weiter auszuschmücken.“

Für mich eine negative Assoziation, da ich das Handwerk der Parfumeure anders auffasse: Sicher, man bildet oft Natur nach… man verwendet sie aber auch. Und es geht nicht immer und ständig um überflüssigen Zierrat, auch wenn das vielleicht der eine oder andere Kernseife-Verwender so sehen mag… Der ist ja aber ohnehin nicht die Messlatte.

Vermutlich war es die Ingredienz, die die Parfumeurin Rühland zum Namen des Duftes inspirierte:

„Als Ineke von dem fantastischen Duft der japanischen Goldband-Lilie (Lilium Auratum) hörte, bestellte sie sofort ein paar Exemplare für ihren Garten, um ihn zu erforschen. Der Duft wurde zum Herzstück ihres neuen Parfums. Ursprünglich entdeckten viktorianische Pflanzensammler die wild wachsende Lilie mit dem Namen „yama yuri“ in den Bergen Nordjapans. Sie brachten sie mit zurück nach England und machten sie zur Grundlage diverser Lilienkreuzungen.“

Trotzdem bleibt der Name für mich mit seinem ganzen Hintergrund ein Fehlgriff – ganz im Gegensatz zum Duft, zu dem er mit seiner Bedeutung im krassen Widerspruch steht: Mit Gilded Lily bewegt sich Rühland nämlich in Richtung neuer Ufer. Fast schon Patricia-de-Nicolaïesk schuf sie hier einen femininen Duft voller zurückhaltend-selbstgewisser Anmut und Eleganz, der aber in seiner kühlen Würzigkeit eine hohe Präsenz aufweist.

Ein leichtfüßig vollzogener Spagat zwischen der altehrwürdigen Duftfamilie der Chypredüfte und einem zeitgemäßen Duft, ein klassischer Chypre mit einem modernen Twist: In der Kopfnote prickelnde Fruchtnoten von saftiger Ananas und feinherb-säuerlichem Rhabarber bahnt sich alsbald das chyprierte Naturell des Duftes seinen Weg, welches darüber hinaus mit einer würzig-floralen und betörend ätherischen Lilie aufwartet. Weichheit und Würze, Puder und Frucht sowie florale Elemente fügen sich hier zu einem überzeugenden, weder zu süßen noch zu floralen und auf keinen Fall quietschig-fruchtigen Damenduft zusammen, der, wie ich meine, nicht unbedingt von einem Teenager getragen werden sollte – aber das meine ich ohnehin von jedem Chypreduft 😉

Die Ingredienzen: Kopfnote: Ananas, Rhabarber, Pampelmuse, Bergamotte; Herznote: Lilie; Basisnote: Patchouli, Eichenmoos, Sandelholz.

Konntet Ihr schon testen, wie gefällt er Euch? Und wie steht Ihr zu Chypredüften?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

P.S.: Im übrigen rieche ich einen mehr als deutlichen Unterschied zwischen dem Teststreifen, meiner Haut und dem Schal, worauf ich Gilded Lily auch noch platziert habe – bitte unbedingt vor einem eventuellen Kauf selbst testen!

Hier finden Sie die Düfte von Ineke in unserem Shop.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Mary ter Heege
    6. Februar 2011
    Antworten

    I had the opportunity to buy a box with A-F samples and received the gilded lily also. I am a chypre fan but was curious about the fruity character of the gilded lily. I like it, but to me it is not an everyday chypre, but worth a try. So your suggestion to ask a sample is a good one, Ulrike

  2. Ulrike
    9. Februar 2011
    Antworten

    Hi Mary, you are right – it is NOT an everyday chypre, it is something special. Like all the scents from Ineke. I am happy that you did enjoy them – what was your favorite?

    Best regards,

    Ulrike.

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