Ein ewig Rätsel will ich bleiben, mir und den anderen.

Wie Ihr alle wisst, ist heute der 11. November – ein bedeutungsvoller Tag. Nicht nur, dass heute um 11:11 die große Sause der Karnevalszeit beginnt. Die Zeit, in der sich gestandene Erwachsene, ohne sich Schämen zu müssen, wie Kinder benehmen können: sich verkleiden, laut sein, aus unerfindlichen Gründen kollektiv fröhlich oder zumindest, und das unterscheidet von richtigen Kindern, betrunken, gerne auch mal bis Oberkante Unterkiefer. Ja, die jecke Zeit beglückt uns wieder und dauert diesmal ungewöhnlich lange, denn die eigentliche Hochphase und Jubelwoche aller Feierwütigen mit Weiberfastnacht, Rosenmontag & Co. findet erst im März nächsten Jahres statt. Wie sich vielleicht zwischen den Zeilen herauslesen lässt, ist Fasching, Karneval oder Fastnacht nichts, was mich hinter dem Ofen vorlockt. Nein, viel eher gehöre ich zu denjenigen, die das bunte Treiben auf Straßen und in Lokalen so gut es geht meidet. Das war bisher auch kein Problem, denn Stuttgart, Tübingen und wohl auch Lindau sind mit den rheinländischen Karnevalshochburgen nicht zu vergleichen. Glück für mich! 🙂 Doch solltet Ihr mich mittlerweile so gut kennen, dass Ihr wisst, wie mein Lieblingsmotto lautet: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen!“ Von daher wünsche ich allen Faschings-, Karnevals- und Fastnachtsbegeisterten eine wunderschöne fünfte Jahreszeit. Helau, Alaaf, Narri-Narro! Oder wie auch immer man bei Euch ruft. 🙂

Abgesehen vom Beginn der jecken Jahreszeit ist heute auch noch Martinstag, der Gedenktag des gleichnamigen Heiligen. Ihr wisst schon, der ehemalige Bischof von Tours, der seinen Mantel mit einem armen Bettler geteilt hat, dann später zum Bischof ernannt wurde. Da er dies aber nicht werden wollte, versteckte er sich angeblich in einem Gänsestall, wo er von dem schnatternden Federvieh verraten wurde. Der Legende nach ist das der Grund, weshalb Gänse heute noch vielerorts für ihr vorlautes Verhalten von damals büßen müssen und zum Martinstag traditionell als saftiger Braten auf dem Tisch landen. Aus meiner Kindergartenzeit erinnere ich mich noch an die alljährlichen Laternenumzüge zu Sankt Martin und die kleinen Baisergänse, die jedes Kind nach dem Laternenlauf geschenkt bekam. Lecker! 🙂

Doch wollen wir uns natürlich heute auch noch in duftende Gefilde begeben und zwar in die der Parfumerie Générale. Da wir nun schon mitten in der frostigen Jahreszeit stecken und zielsicher auf Weihnachten zusteuern, möchte ich heute und in meinen kommenden Rezensionen kuschelig-wärmende Düfte vorstellen, gerne auch mal mit gourmandigen Noten. Zu Herrn Guillaume, dem Gründer von Parfumerie Générale und seinem Parfumhaus habe ich in einem meiner letzen PG-Artikel schon das ein oder andere Wörtchen verloren, nachzulesen hier. Nach den drei atemberaubenden Teedüften Harmatan Noir, L’Eau Rare Matale und Hyperessence Matale sitze ich nun schon mit scharrenden Hufen an meinem Laptop und harre der Schnupperei. Doch gemach! Gemach!

Zu allererst möchte ich noch ein paar Worte zum heutigen Duft loswerden, der den Namen Aomassaï trägt und natürlich noch eine Nummer, denn Herr Guillaume ist ja fast so etwas wie der Graf Zahl der Düfte, nämlich die 10. Da ich ja bekanntermaßen ein Faible für das Onomatologische habe (da sieht man es wieder: Jedem Tierchen sein Pläsierchen), wittere ich natürlich beim Lesen des Duftnamens sofort Blut und vermute einen Zusammenhang mit der bekannten Volksgruppe Ostafrikas: den Massai. Laut Herstellerseite ist der Duft mit dem klangvollen Namen aber dem südlichen Afrika und dem Stamm der Baule gewidmet oder besser: der Kunst der Baule. Über die genauen Wechselbeziehungen zwischen dem PG-Namen, dem Kontinent und dem Volksstamm bin ich mir nicht wirklich im Klaren. Lebt das Volk der Baule (und somit auch ihre Kunst) nicht im südlichen Teil des schwarzen Kontinents, sondern in Westafrika. Warum also der Bezug zu Südafrika? Und warum ein Name, der an das berühmte Halbnomadenvolk aus Ostafrika erinnert? Fragen über Fragen und, wenn ich ganz ehrlich bin, ich habe keine Lösung parat, was mich ein bisschen traurig macht. Vielleicht sollte ich Herrn Guillaume einmal anschreiben und befragen, denn, wenn ich das schon einmal vorwegnehmen darf, auch die Namen der anderen PG-Düfte sind eher rätselhaft.

Kein Geheimnis dagegen sind die Duftnoten der Nummer 10 aus dem Jahre 2006: Bitterorange, Heu, Karamell, Geröstete Haselnuss, Süßholz (Lakritze) Gewürze, Vetiver, Weihrauch, Harze, Wengeholz.

Teststreifen und Haut zeigen einen übereinstimmenden Duftverlauf. Frisch aufgesprüht offenbaren sich sofort deutliche Karamellnoten, die eine dezente zitrische Fruchtigkeit aufweisen. Der Duft gerösteter Haselnüsse in Kombination mit den karamelligen Noten lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Durch die gourmandigen Anklänge wirkt die Nummer 10 süß, aber eher süß-würzig. Keine künstlich-klebrige Zuckerwattensüße, sondern der leckere Duft schmelzenden braunen Zuckers, karamellisiert auf hoher Flamme, beinahe zu heiß werdend und daher köstliche Röstaromen in sich tragend. Gehackte Nüsse und Gewürze kommen hinzu, vereinen sich mit dem goldbraunen Schmelzzucker auf deliziöse vanillig-mandelige Art und Weise. Harzig-holzige Rauchnoten unterstreichen die geröstete Herbe. Tonangebend bleibt aber eindeutig die karamellisiert-krustige Crème Brûlée-Note. Süße Gelüste überkommen mich einmal wieder. 🙂

Ich empfinde Aomassaï als sehr komplexen und authentischen Gourmandduft. Warm-weich und gleichzeitig dunkel-trocken hält die Nummer 10 gekonnt die Balance zwischen karamelliger Süße und geräuchterer Holzigkeit. Keine Note sticht unangenehm hervor. Mir erscheint der Duft eher wie ein gut eingespieltes Orchester, ein harmonisches Miteinander, eine Symphonie der Sinne mit einem Dirigenten aus Karamell…. So präsentiert Herr Guillaume einmal wieder eine Komposition allererster Güte; ein Kunstwerk, das die Grenzen zwischen Gustatorischem und Olfaktorischem verschwimmen lässt und mich einmal wieder an den Kühlschrank treibt. Noch ein paar Mampfi-Mampfi-Süß-Düfte mit Plätzchenaroma und ich sehe aus wie eine Kugel. 😉

Was mich alten Bluthund nicht locker lässt, ist das Namensrätsel, das mit dem Testen des Duftes einer Lösung auch nicht wirklich näher kommt. Bezweifle ich doch, dass es die Kunst der Baule ist, Karamell herzustellen. Und auch eine vanillig-warme Crème Brûlée mit Knusperkruste bringe ich nicht annähernd in Zusammenhang mit Südafrika geschweige den dem Nomadenvolk der Massai…. So hält es Aomassaï wohl mit den Worten des schrillen Bayernkönigs Ludwig II.: „Ein ewig Rätsel will ich bleiben, mir und den anderen.“ 😉

Einen schönen Tag wünscht Euch,

Eure Stephanie.

Bildquelle: Crème Brûlée Closeup von BenFrantzDale – some rights reserved. Vielen Dank! 🙂

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

5 Kommentare

  1. Almut
    11. November 2010
    Antworten

    ooooh, der aomassai, mein geliebtes holzkaramell. einer meiner winter-immer-geher. besonders spannend finde ich den leisen anklang des vetivers, inmitten des süßen karamellreigens, der den duft meines erachtens nach davor bewahrt, ein zu bombiges leckerlie zu werden.

    mit fasching halte ich es im übrigen wie du, ich lasse ihn einfach an mir vorbeiziehen. glücklicherweise bemerkt man hier in wien ohnehin nicht viel von dem treiben.

    lg
    almut

  2. Stefan
    11. November 2010
    Antworten

    Schön auch mal eine Rezension eines meiner Düfte zu lesen!

    Ich habe diesen Duft letztes Jahr nach Weihnachten getestet und war hin und weg. Die Frische war gerade das richtige nch der maronen- und glühweingeschwängerten Weihnachtszeit! Gleichzeitig bleibt das ganze dann doch frühlingsunfrisch, da die rauchigen Teenorten schon dominant bleiben. Man sollte immer erwähnen, dass Tee hier nicht der Bulgari-Tee ist! Es ist eher russischer Tee, dunkelschwarz, nicht chinesischer :-). In meiner Nase ist auch was krautiges zu riechen…

    Steffi, wie hieß denn der 1. Duft von PG? Ich habe irgendwo mal einen Bericht über ihn gelesen, worin die Entstehung seines ersten Duftes (ein Lederduft) so zauberhaft beschrieben wurde… Can you help?

    Schönen Abend! Stefan

  3. Steffi
    12. November 2010
    Antworten

    huhu!

    @almut: schön, dass es auch noch andere gibt, die fasching an sich vorbeiziehen lassen. 🙂

    @stefan: aus dem stehgreif kann ich deine frage nicht beantworten. soweit ich mich erinnere, war cozé der erste pg-duft. den haben wohl zuerst nur die guillaumes junior und senior getragen, bis ein compañero vom herrn papa den duft schnupperte und ihn dann auch unbedingt haben wollte. allerdings ist cozé kein lederduft… (am kommenden montag wird er übrigens rezensiert). und er trägt die nummer 2. die nummer 1 der pg-düfte tragen nämlich auftragsdüfte, die man sich für teuer geld vom meister selbst anfertigen lassen kann und in einem fläschchen mit der nummero uno bekommt.
    nun ja, um nicht weiter rumzuspekulieren: ich werde mich an kundiger stelle umhören und dir alsbald bescheid geben, was es mit dem lederdüftchen auf sich hat.

    liebe grüße, steffi

  4. margot
    21. November 2010
    Antworten

    Liebe Steffi,

    durch Gewinn kam ich in Besitz eines Pröbchens von Aomassai.
    Also frisch-fruchtig empfinde ich daran gar nichts. Ich empfinde ihn eher als „dumpf“. Habe starken schwarzen, stark gesüßten Tee in der Nase, abgestanden in einer Wüstenhütte, mit Staub umweht und einem rauchigen Hintergrund.

    Aber danke schön für Deine Interpretation!

    LG, Margot

  5. Steffi
    22. November 2010
    Antworten

    Liebe Margot,
    also, ich weiß gar nicht wo Du her hast, dass ich denn Duft frisch-fruchtig finde… tue ich nämlich nicht. Eine Crème Brulee-Bombe allererster Güte ist das Düftchen für meine Nase. Zu Beginn reiche ich ganz subtile zitrische Fruchtnoten. Das ist aber auch schon alles und diese bestimmen den Charakter des Duftes in keinster Weise. 🙂

    Liebe Grüße, Steffi

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