Halloween …

… ist immer am Vorabend von Allerheiligen – von All Hallow’s Even abgeleitet – und wurde ursprünglich von irischen Einwandern Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika importiert, wo es sich neben Thanksgiving und Weihnachten zu einem der bedeutendsten Feste mauserte. Dazu gehören natürlich auch jede Menge Rituale, die nach und nach die letzten Jahre auch nach Europa, insbesondere vor allem nach Deutschland überschwappten: Kürbisse allerorten vor den Türen, ausgehöhlt und verziert mit allerlei mal mehr und mal weniger kunstfertig erstellten Gesichtern und Fratzen und illuminiert, natürlich. Nicht zu vergessen die Trick-or-Treat-Kinder, die nach Süßigkeiten betteln oder gleich neuzeitlich geschäftstüchtig nach Bargeld und einem beim Verweigern desselben eklige Hinterlassenschaften in den Briefkasten stopfen oder ähnlichen Unfug treiben. Wie ist es Euch ergangen? Gestern als Hexe oder ganz modern: Vampir verkleidet auf einer Halloween-Party gewesen? Und lebt der Briefkasten noch?

Halloween ist – vorbei. Aber die Zeit der Kürbisse noch da – und was bietet sich da besser an als einen Duft zu besprechen, den ich schon furchtbar lange rezensieren wollte, der aber zwischenzeitlich jahreszeitentechnisch so gar nicht ins Blog passen wollte? Der eine oder andere wird es schon erahnt haben – die Rede ist von L’Etat Libre d’Oranges Like This, jener Duft, den die französische Krawall-Pop-Art-Firma mit den exzellenten Parfumeuren für und mit Tilda Swinton kreierte.

In einer früheren Ankündigung, die nebenbei die Rezension zu L’Etat Libres erstem Promiduft Eau de Protection für die Almodovar-Muse Rossy de Palma enthielt, schrieb ich bereits Folgendes:

L’Etat Libre ist kein Label für halbe Sachen, ergo auch weder für zaudernde Unentschlossene noch für Schüchterne. Zu denen zählt auch Frau Swinton nicht: Intelligent, stark, begabt und provokant – die Oscar-Gewinnerin ist gebürtige Schottin und entstammt einem der ältesten Clans, ist Cambridge-Absolventin und lebt seit längerem in einer polyamourösen Beziehung mit zwei Künstlern.

Einem sehr viel älteren Maler und Schriftsteller und einem sehr viel jüngeren und durchaus sehr attraktiven Künstler, um ganz genau zu sein. Darüber hinaus rumorte die Gerüchteküche lange, dass sie auch alle zusammen – inklusive der Kinder – leben. Das könnte ja fast, fast ein wenig beneidenswert sein, vielleicht… aber gut, wir wollten nicht über Tilda Swintons Privatleben sprechen, die momentan wieder in einem neuen, sehenswerten und erstmals selbst produzierten Film in die Kinos kommt – I am Love.

Dazu, genauso wie zu der polyamourösen Beziehung, passt auch die Werbung für den Duft ganz vorzüglich, die ich Euch natürlich nicht vorenthalten mag, genauso wie die Erkenntnis, dass der Kürbis, jener Hauptbestandteil des Duftes, laut dem Amerikaner Dr. Alan Hirsch positive Auswirkungen auf die Durchblutung bestimmter weiblicher Körperteile haben soll – ich hatte es im letzten Artikel bereits anklingen lassen…

In jedem Falle ist Kürbis wohl einer der Lieblingsgerüche von Tilda Swinton, die jahrzehntelang Penhaligon’s Bluebell treu war, wie auf New York Fashion zu lesen ist:

„When I realized what they were really offering me was the opportunity to go into the kindergarten and mess around and have absolute final cut and put whatever I wanted into this bottle, I couldn’t resist. So I had a real ball! I thought about how great it would be if I could have a smell that would keep me at home wherever I was. So I started to think about my home smells, and the principal ingredients became ginger, baby carrot, pumpkin. I’m a November child — a pumpkin child — so this whole idea of orange is there. It smells like the only home I have: my house in the north of Scotland.“

Kindheitserinnerungen animierten sie also zu Like This die Erinnerung an Ingwer, Babykarotten und Kürbis, ein orangener Traum jenes November-, ergo Kürbiskindes, wie sie selbst feststellt. Der Duft rieche wie ihr einziges Zuhause: Ihr Haus im Norden Schottlands.

Eine weitere Inspirationsquelle stellten ein paar Zeilen des islamischen Mystikers und Dichters Rumi (Dschalal ad-Din Muhammad Rumi) dar:

“Like this.
What does your fragrance smell like? Like this.
What does your fragrance feel like? Like this.
What do I do with this fragrance? Like this.
It’s an idea that makes me very, very happy.”
aus: The Essential Rumi, übersetzt von Coleman Barks mit John Moyne.

Bodenständig hört sich das an. Und irgendwie existentiell. Sinnsuchende aufgepasst – dieser Duft verheißt wenn nicht eine Antwort, so doch dann zumindest Linderung. Er verspricht etwas Handfestes, etwas Verortetes und damit Bestimmtes zu sein, eine Konstante in einer komplexen und oft genug haltlosen Welt. So hat er auch etwas enorm Konzeptionelles, wie auch Chandler Burr in obigem Artikel feststellt:

„It’s a below-the-surface gourmand,“ erklärte er. „It is a contemporary, abstract expressionist perfume, late twentieth century. It does not contain any shock values that some of the super-neons — like those made for Britney Spears, or Gucci Rush kind of pioneered that, that overtly artificial scent — it doesn’t have any of that. But it is not representational art at all, it’s conceptual, that’s why it’s abstract expressionist. And it doesn’t give you any landmarks.“

Ein zeitgemäßes, auf abstrakte Art expressionistisches Parfum – das sehe ich sehr ähnlich. Und was die Landmarks angeht könnte man Burrs diesbezüglicher Ansicht auch beipflichten, je nach dem, wie er sie denn gemeint hat: Es gibt kein Parfum, ja, nicht einmal verschiedene Parfums, mit denen sich Like This vergleichen lassen würde. Der Parfumeurin Mathilde Bijaoui ist ein wirklich einzigartiger und enorm innovativer Duft gelungen, der – einfach er selbst ist: In der Kopfnote verhalten zitrisch offenbart er alsbald warm-würzige Immortelle, die im Zusammenspiel mit der fruchtigen Ingwerherbheit die von der aus den Mane Laboratories stammende synthetische Kürbisnote Potiron Jungle Essence fein-rauchig unterstreicht. Von einer luziden Rose begleitet findet der Duft auf einem weichen Untergrund Ruhe, der eine angenehm vertraute Ausstrahlung besitzt.

Für mich ein ganz besonderer und überaus bemerkenswerter Duft, der in der Tat Assoziationen eines Tages auf dem Land weckt, eines Herbsttages, mit vielen Kürbissen im Hintergrund nicht zu vergessen. Jene Note finde ich unverschämt lecker. Und auf eine sehr elegante und ebenfalls erotische Art und Weise feminin.

Ich bin gespannt auf Eure Meinung – habt Ihr schon getestet? Was haltet Ihr von Duft und Frau?

Liebe Grüße und einen guten Wochenstart wünscht Euch

Eure Ulrike.

Bildquelle: Jack O’Lanterns von Julia Freeman-Woolpert, Pumpkin and Black Cat von Emiliano Spada, Danish Autumn von Jesper Hojland, alles via stockxchng, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Margot
    2. November 2010
    Antworten

    Liebe Uli,
    endlich wird auch mal ein Duft diese Hauses gewürdigt! Habe ja bereits verlauten lassen, dass ich die Philosphie und (im Grunde) alle Düfte von ELdO sehr interessant finde! Und dabei geht es nicht darum, ob sie für mich alle tragbar sind oder dass ich sie mag oder nicht. Es ist definitiv das Gesamtpaket, das mich begeistert und LIKE THIS hat mich explizit begeistert. Weil, eben ja, weil er in keine Schublade passt die man mit: …. ist wie …. definieren kann. Er ist anders, auch für mich nichts für jeden Tag, aber ich liebe ihn, gerade deshalb!

    Liebe Grüsse,
    Margot

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