Wie die Jagd auf ein Phantom

erscheint mir die Recherche zu unserer heutigen Duftrezension. Dabei bereitet mir nicht der Duft Kopfzerbrechen, nein, als schwer zu fassen erweist dich vielmehr der Parfumeur, der auch gleichzeitig Gründungsvater und Inhaber des Unternehmens ist: Pierre Montale. Das ihm gehörende Parfumhaus gründete er im Jahre 2003 in Paris. So viel ist dem sonst so allwissenden Internet zu entnehmen. Aber es findet sich weder ein Foto des werten Herrn, noch sonstige Information. Was hat er denn vor 2003 gemacht? Anscheinend war er über dreißig Jahre lang im Orient unterwegs und hat dort für Könige, Königinnen, Scheichs und sonstige gut betuchte Herrschaften Parfums kreiert. Gerüchteweise kam mir auch zu Ohren, dass er für einen Teil der Comptoir Sud Pacifique-Kompositionen verantwortlich ist. Nun, nach dreißig Jahren im Dienste der Parfums (allein im Orient) kann Herr Montale ja kein richtiger Jungspund mehr sein.

Mmmh, so richtig glücklich bin ich an diesem Punkt nicht. Zumindest was die Hintergrundinfos angeht. Andererseits blicke ich mit Freude auf den heutigen Testteil, denn es kommt einer meiner ganz großen Lieblinge dran: Black Aoud. Juhu!

Eine der Zutaten in diesem Duft ist das schon mehrfach genannte Oudh, das Adlerholz, auf welches ich jetzt nicht mehr erläuternd eingehen werde. Die meisten werden darüber zu genüge Bescheid wissen und allen anderen empfehle ich Ulis Artikel zu dem Thema, der hier verlinkt ist. Herr Montale kam während seiner ominösen dreißig Jahre im Orient damit in Kontakt und verwendet es seither, überspitzt gesagt, wie ein Besessener. Ich weiß gar nicht, ob noch ein anderer Parfumeur beziehungsweise ein anderes Parfumhaus so inflationär mit der Duftnote Adlerholz umgeht. Mittlerweile sind ja auch viele andere „Nasen“ auf den Geschmack des Räucherholzes gekommen, ja, auch die Kombination Rose-Oudh ist längst nichts bahnbrechend Neues mehr. Aber dennoch, mein Herzchen hängt an diesem Duft, daher muss, nein: MUSS ich ihn vorstellen. 😉

Die Ingredienzien: Mandarine, Adlerholz (Oud), Rose, Labdanum (Zistrose), Patchouli, Sandelholz.

Teststreifen und Haut sind sich hier völlig einig: Frisch aufgesprüht erschnuppert man sogleich die Rose, dunkel, leicht metallisch anmutend und mit likörigen Fruchnoten gespickt. Dezente Mandarinennoten erahne ich. Auf leisen Sohlen schleicht sich das Adlerholz in den Duft hinein, leicht rauchig und mit jenen typischen bitter-medizinischen Noten, die mich immer ein bisschen an ein Krankenhaus erinnern, an mit Jod und sonstigen Desinfektionsmittelchen getränkte Verbände. Die Rose schwirrt immer im Hintergrund mit, konstant durch den gesamten Duftverlauf hindurch; eine dunkle Rose, nicht lebhaft-floral, sondern eher nachdenklich-melancholisch. Ich vermeine, rauchig-ledrige und erdig-animalische Akzente unter all den Adlerholznoten wahrzunehmen. Wunderbar! Black Aoud zeichnet sich durch eine unglaubliche Präsenz, Intensität und lange Anhaftung aus. Ich bin entzückt! 🙂

Dabei weiß ich gar nicht so genau, was mich an diesem Duft so begeistert. Als wirklich schönen Duft würde ich ihn nicht bezeichnet, als schön im Sinne von gefällig sowieso nicht. Ich habe bei Black Aoud ein ganz bestimmtes Bild im Kopf (und das unabhängig von meinen lebhaften Krankenhausassoziationen): für mich hat Black Aoud den Charme eines Raubtiers, roh und ungezähmt, wie ein ungeschliffener Diamant. Auf irgendeine Art und Weise in Schach gehalten, aber dennoch nicht gebändigt. Beinahe greifbar ist die Gefahr, dass das Raubtier irgendwann den Ketten entfliehen könnte, die es im Zaum halten. Die Farbe im Namen, die animalische Note und der ungewöhnliche Duft des Adlerholzes kombiniert mit diesem melancholischen Unterton der Rose; all das lässt mich an ein Gedicht Rilkes denken, das leider genauso inflationär in den Medien verwendet wird wie das Adlerholz in den Montale-Parfums: der Panther.

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

In diesem Sinne wünsche ich Euch einen schönen Tag,

Eure Stephanie.

Bildquelle: Agarwood von Hafizmuar und Black Panther von Bruce McAdam – some rights reserved. Vielen lieben Dank!

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

3 Kommentare

  1. 7. Oktober 2010
    Antworten

    Ansprechender Blogbeitrag.Hat zum Nachdenken angeregt. Warte auf neue Beiträge.

  2. Margot
    7. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Stephanie,
    als ich vor 4? Jahren auf ALzD stieß, war es vor allem wegen Montale. Irgendwie bin ich auf darauf gestossen und hatte nach Händlern gesucht. Und der Black Oud war einer der ersten Düfte die ich bei ALzD geschnuppert habe (zusammen mit Blue Amber). Fand ihn damals schon ganz toll, war aber vom Kopf her noch nicht zu Oud und den Montale-Krachern bereit. Ist halt schon schwierig, wenn Montale der Einstieg in den Nischenduftbereich ist 🙂
    Habe mich dann erst leichteren Kalibern zugewandt, aber an Black Oud denke ich immer wieder.

    LG, Margot

  3. Steffi
    7. Oktober 2010
    Antworten

    Liebe Carola, lieber Henry, liebe Margot,

    vielen Dank für die virtuellen Blumen! So viel Lob geht natürlich runter wie Öl – dafür möchte ich mich, auch im Namen von Uli, recht herzlich bedanken. Es freut uns beide sehr, dass unser Blog so positive Resonanzen bekommt. 🙂

    @Margot: Ja, ich weiß genau was Du meinst. Mir geht es genau so! 🙂

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